Der Werdegang des bedeutenden Autors Ngũgĩ wa Thiong’o
Weitersagen
Der Werdegang des bedeutenden Autors Ngũgĩ wa Thiong’o
Der kenianische Autor und Kulturwissenschaftler Ngũgĩ wa Thiong’o schrieb 1964 den ersten englischsprachigen Roman, der von einem Ostafrikaner veröffentlich wurde: Weep Not, Child. Der Roman handelt von einer Kikuyu Familie während der Mau-Mau-Aufstände in Zeiten der kenianischen Unabhängigkeitsbewegung.
Autor mit traditionell afrikanischer Erzählweise
Die Gĩkũyũ sind mit 22% die größte Bevölkerungsgruppe Kenias. Ngũgĩ wa Thiong’o wurde 1938 in Limuru, Kenia als Gĩkũyũ geboren. Als es in Kenia in den 1950er Jahren zu den Mau-Mau-Aufständen kam, geriet Ngũgĩs Familie in Gefangenschaft, sein Stiefbruder starb und seine Mutter wurde gefoltert.
Die Mau-Mau-Aufstände waren Teil der antikolonialen Unabhängigkeitsbewegung in Kenia gegen die Kolonialmacht Großbritannien.
Ngũgĩ studierte an der Makere-Universität in Uganda und an der Universitsy of Leeds in Großbritannien, dort veröffentlichte er 1965 sein erstes Werk „Weep Not, Child”. In seinem dritten Roman „A Grain of Wheat” von 1967 wendet sich Ngũgĩ von einer linearen Erzählweise aus der Sicht einer einzelnen Person ab und schrieb von nun an aus vielfältigen Perspektiven und Zeitpunkten. Es war ein Wendepunkt in seiner Karriere, da er sich ab diesem Zeitpunkt nach traditionellen afrikanischen Erzählweisen richtete.
1967 begann Ngũgĩ an der Universität in Nairobi Englische Literatur zu unterrichten. Er dozierte bis 1977 noch an zwei weiteren Universitäten. Als Ngũgĩ 1977 sein erstes Werk nach zehn Jahren veröffentlichte, handelte es sich um den Roman „Petals of Blood”, darin beschreibt er das Leben im neokolonialen Kenia kritisch und deckt Missstände auf. Auch sein im gleichen Jahr veröffentlichtes Theaterstück ist sehr gesellschaftskritisch.
Politische Gefangenschaft
Aufgrund dessen wird Ngũgĩ 1977 vom damaligen diktatorischen Regime ohne Gerichtsverfahren inhaftiert. Bis zum Ende des Jahres 1978 wird er gefangen gehalten. Diese Zeit beschreibt er in seinen Memoiren, im Gefängnis selbst schreibt er den Roman „Devil on the Cross” auf Toilettenpapier.
Im Gefängnis entscheidet Ngũgĩ, seine Werke in Zukunft nur noch in seiner Erstsprache Kikuyu oder in Swahili zu veröffentlichen, da Ngũgĩ die englische Sprache als Mittel und Ausdruck eines anhaltenden politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und linguistischen Kolonialismus versteht. Er meint, dass es schädlich für das Selbstbewusstsein junger Afrikanerinnen und Afrikaner sei, wenn europäische Sprachen wie Englisch und Französisch die ersten seien, die sie lernten. So würde den Menschen vermittelt werden, dass Wissen nur von außen käme. Nach Ansicht Ngũgĩs sollten alle Afrikanerinnen und Afrikaner zunächst eine afrikanische Erstsprache erlernen, dann eine andere afrikanische Sprache, um sich mit anderen Menschen auf ihrem Kontinent austauschen zu können und erst dann eine europäische Sprache. Dies würde die Menschen ermächtigen.
Nach seiner Entlassung, die die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erwirkt hat, darf Ngũgĩ seiner Arbeit als Dozent nicht mehr nachgehen. Trotzdem bleibt er als Autor eine kritische Stimme des autoritären Moi Regimes.
Zeit im Exil
Während der Vorstellung seines Buches „Devil on the Cross” in England, erfährt Ngũgĩ von einem Komplott gegen ihn, daraufhin begibt er sich ins Exil, zunächst in Großbritannien und ab 1989 in den USA.
Im Exil setzte er sich für politische Gefangene in Kenia ein und dozierte als Professor an verschiedenen Universitäten. Als der Diktator Moi 2002 seine Herrschaft abtritt und es zu demokratischen Wahlen kommt, kehren Ngũgĩ und seine Ehefrau, Njeeri, 2004 nach 24 Jahren im Exil zurück um sein Buch „Wizard of the Crow” in Kenia zu veröffentlichen. Während dieser Reise wurden er und seine Frau in ihrem hoch abgesicherten Apartment von vier Männern überfallen. Ngũgĩ wurde verprügelt und es wurden Zigaretten an seiner Stirn ausgedrückt. Njeeri wurde von den Männern vergewaltigt. Ngũgĩ geht von einer politisch motivierten Tat aus. Drei Sicherheitsmänner und ein Neffe Ngũgĩs wurden für die Tat angeklagt.
Ngũgĩ schrieb weiterhin und wurde vielfach ausgezeichnet. Er gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller Ostafrikas.
Neuestes Werk
2018 veröffentlichte Ngũgĩ seinen bis dato letzten Roman „The perfect nine”. In diesem beschreibt er den Entstehungsmythos der Gĩkũyũ aus einer feministischen Perspektive. Der eigentliche Mythos besagt, dass der Urvater Gĩkũyũ von der höchsten Macht Ngai der Urmutter Mũmbi zugewiesen wurde, sie bekam neun Töchter. Diese neun Frauen wurden zu den Stammeshäuptern von neun Stämmen. Ihre Männer übernahmen die Macht ihrer Frauen, indem sie sie gleichzeitig schwängerten und kurz vor der Geburt unterwarfen.
Weitere Informationen:
https://ngugiwathiongo.com/about/
https://www.britannica.com/biography/Ngugi-wa-Thiongo
Khelef, M. in DW:
https://www.dw.com/de/ngugi-wa-thiongo-zuerst-kommt-die-muttersprache/a-44312809 (21.06.2018)
Jaggi, M in The Guardian:
https://www.theguardian.com/books/2006/jan/28/featuresreviews.guardianreview13 (28.01.2006)