Der Binnenstaat Botswana im Süden Afrikas gilt heute als eine der stabilsten und wohlhabendsten Nationen auf dem afrikanischen Kontinent, mit Lebensstandards die denen in osteuropäischen Ländern wie Estland ähneln. Gleichzeitig ist das Land Afrikas älteste Demokratie. Wie kam es dazu? Die Frage danach, warum manche Länder reich und andere arm sind, beschäftigt die Forschung seit Langem. Die Wirtschaftsnobelpreisträger Daron Acemoglu, Simon Johnson und James Robinson haben seit den 2000er Jahren Arbeiten veröffentlicht, die diese Fragen auf eine neue Weise angehen, fernab von längst widerlegten Annahmen, dass die Geographie oder Kultur eines Landes ihren Wohlstand vorherbestimmen könnten. Sie argumentieren, dass die Art der politischen und wirtschaftlichen Institutionen einer Gesellschaft entscheidend für ihren Wohlstand ist. Und tatsächlich ist Botswana auf dem afrikanischen Festland das demokratischste Land, sowie das mit der kleinsten Korruptionsanfälligkeit. So belegt der Binnenstaat mit einem Punktescore von 7,7 von 10 Platz 33 von 167 untersuchten Ländern auf dem Demokratieindex von 2023 und liegt damit im Vergleich zu einem durchschnittlichen Punktescore von 4,0 weit vor anderen afrikanischen Staaten. Gleichzeitig belegt Botswana im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International 2024 Platz 43 von 178 Ländern und liegt damit zusammen mit Ruanda auf Platz 1 auf dem afrikanischen Festland. Die Art der politischen und wirtschaftlichen Institutionen einer Gesellschaft ist entscheidend für ihren Wohlstand.Wie hängen aber diese Indices nun mit Botswanas Wohlstand zusammen?Inklusive Institutionen und wirtschaftliche StrukturenInklusive Institutionen sind entscheidend für wirtschaftlichen Wohlstand.Im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Ländern, die nach der Unabhängigkeit in autokratische Systeme oder wirtschaftliche Krisen verfielen, entwickelte Botswana früh stabile und inklusive Institutionen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Bevölkerung aktiv in politische Entscheidungen einbinden und ihr ein Mitspracherecht gewähren. Damit dieses und weitere Rechte überhaupt erst durchgesetzt werden können, muss ein Staat zunächst ausreichend zentralisiert sein. Das bedeutet, dass die Regierung über genügend Macht und Zustimmung verfügen muss, um Gesetze wirksam durchzusetzen und gleichzeitig den Bürger*innen Schutz zu bieten. Inklusive politische Institutionen begünstigen wiederum inklusive wirtschaftliche Strukturen, die Eigentumsrechte sichern und willkürliche Enteignungen verhindern. Sie sind entscheidend für wirtschaftlichen Wohlstand, da sie Menschen dazu ermutigen, zu sparen, zu investieren und Innovationen hervorzubringen. Dadurch können sich Länder mit ihren Produkten auf dem Weltmarkt behaupten.Extraktive InstitutionenIm Gegensatz dazu behindern extraktive Institutionen, die auf die Ausbeutung von Ressourcen und Menschen durch eine kleine Elite ausgerichtet sind, langfristige Entwicklung, indem sie keine Anreize schaffen. Solche Institutionen können ihre Bürger*innen willkürlich enteignen oder zu Arbeit zwingen, wodurch die Menschen ihre Talente nicht einsetzen wollen. Zudem hat die Bevölkerung kein politisches Mitspracherecht, mit dem sie die Zustände verändern könnte. In nicht zentralisierten Ländern können zudem rebellische Gruppen die Bevölkerung ausbeuten. Diese Muster lassen sich in vielen afrikanischen Ländern beobachten, etwa in Somalia, Sierra Leone, dem Sudan, Liberia und der Demokratischen Republik Kongo. In diesen Gebieten existierten extraktive Institutionen oft schon vor der Kolonialzeit, doch durch den Kolonialismus wurden sie brutal verschärft. Nach der Unabhängigkeit wurden diese Strukturen häufig beibehalten und von neuen Eliten übernommen, wodurch sich das System der Ausbeutung fortsetzte. Die Nobelpreisträger argumentieren, dass Institutionen dazu neigen, sich selbst zu erhalten, da diejenigen, die von ihnen profitieren, wenig Interesse an Reformen haben. Nur große gesellschaftliche Umbrüche oder Krisen bieten die Möglichkeit, extraktive Institutionen aufzubrechen und inklusivere Strukturen zu schaffen.Botswana vor der KolonisierungDie Tswana-Staaten wiesen vor der europäischen Kolonisierung ein außergewöhnlich großes Maß an politischer Zentralisierung und Partizipation auf. Ein zentrales Element war die Kgotla, eine Ratsversammlung, in der Stammesangehörige offen über Angelegenheiten diskutieren konnten. Diese Versammlungen beschränkten die Macht der Chiefs und stellten sicher, dass politische Entscheidungen eine breite Zustimmung fanden. In dieser Hinsicht unterschieden sich die Tswana-Stämme deutlich von vielen anderen afrikanischen Gesellschaften, in denen die politische Macht oft autoritär in den Händen einzelner Herrscher lag.Glück im Unglück unter britischem Protektorat Während der kolonialen Expansion geriet Bechuanaland, das spätere Botswana, 1885 unter das britische Protektorat. Doch im Gegensatz zu anderen afrikanischen Kolonien wurde das Land nicht umfassend kolonialisiert. Dies lag unter anderem daran, dass die britische Regierung Bechuanaland lediglich als strategischen Korridor zwischen Südafrika und Rhodesien betrachtete und es für wirtschaftlich unbedeutend hielt. Dadurch blieb das Gebiet nie vollständig von extraktiven Kolonialstrukturen durchdrungen, wie es in anderen afrikanischen Ländern der Fall war.So konnten in Botswana die traditionellen Institutionen weitgehend intakt bleiben. Als Botswana 1966 unabhängig wurde, war es eines der ärmsten Länder der Welt. Es gab nur wenige Straßen, kaum Bildungseinrichtungen und eine minimale Verwaltung. Doch anstatt in Chaos und Diktatur zu verfallen, entwickelte das Land eine funktionierende Demokratie und ein stabiles Wirtschaftssystem. Dies war vor allem dem ersten Präsidenten Seretse Khama und seinem Nachfolger Quett Masire zu verdanken. Beide entschieden sich bewusst gegen ein autokratisches Regierungssystem und setzten auf wirtschaftliche Stabilität, Rechtsstaatlichkeit und politische Partizipation.Sir Seretse Khama Erster Präsident von Botswana (1966-1980)Sir Quett Masire 2. Präsident Botswanas (1980-1998)Diamantenvorkommen gehören dem StaatEin zentraler Schritt war die Zentralisierung der Ressourcenverwaltung. Als Diamantenvorkommen entdeckt wurden, sorgte Khama dafür, dass die Rechte an den Bodenschätzen dem Staat gehörten, nicht einzelnen Eliten oder Stämmen. Anders als in Sierra Leone oder Angola, wo Diamanten zu Konflikten und Bürgerkriegen führten, wurden die Einnahmen in Botswana zur Stärkung der Infrastruktur, Bildung und des Gesundheitswesens genutzt. Das Land konnte so dem sogenannten "Ressourcenfluch" anderer ressourcenreicher Länder wie beispielsweise Nigeria oder der Demokratischen Republik Kongo entgehen - also dem in vielen Ländern nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Ressourcenreichtum und niedrigem Wirtschaftswachstum.Institutionen sind stabil, aber nicht unveränderlichBotswanas Erfolg ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie historische Institutionen die wirtschaftliche und politische Entwicklung eines Landes prägen können. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es für Botswana weitaus wahrscheinlicher war, den Weg zu inklusiven Institutionen einzuschlagen als für andere Staaten im subsaharischen Afrika, die entweder gar nicht erst versuchten, diesen Weg zu gehen, oder früh daran scheiterten. Die Betonung liegt jedoch auf wahrscheinlich und nicht auf zwangsläufig, denn Institutionen sind keine Naturgesetze – sie sind menschengemacht und veränderbar.QuellenAcemoglu, Robinson (2013): Warum Nationen scheitern: die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut. Frankfurt am Main.Transparency International: Corruption Perceptions Index 2024 (Letzter Zugriff im Februar 2025)Our World in Data: Democracy Index 2023 (Letzter Zugriff im Februar 2025)The Nobel Prize: The Prize in Economic Sciences 2024 (Letzter Zugriff im Februar 2025)Verfasst am 13. Februar 2025