Warum immer mehr afrikanische Staaten den Internationalen Gerichtshof verlassen

Immer mehr afrikanische Staaten verlassen den Internationalen Gerichtshof (IStG). Was sind die Hintergründe und wie sieht die Zukunft des unabhängigen Weltgerichtes aus?

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Warum immer mehr afrikanische Staaten den Internationalen Gerichtshof verlassen

Immer mehr afrikanische Staaten wollen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verlassen. Burundi hat im Oktober 2016 den Anfang gemacht, Südafrika und Gambia kündigten ihren Austritt nun ebenfalls an. Beobachter befürchten, dass die internationale Gerichtsbarkeit durch schwindende Mitglieder weiter geschwächt wird. Zurecht, denn Uganda, Namibia, Kenia und die Demokratische Republik Kongo schließen den Austritt ebenfalls nicht aus. Viele afrikanische Staaten kritisieren den IStGH schon seit mehreren Jahren. Sie werfen ihm vor als Gericht der Weißen mit einer neokolonialen Agenda in erster Linie afrikanische Staaten zu verfolgen. Diesen Vorwurf bekräftigt allein die Anzahl der Verfahren die das Weltstrafgericht mit Sitz in Den Haag seit seinem 14-Jährigen Bestehen aufgenommen hat. Neun der bislang zehn Ermittlungen betrafen allein afrikanische Länder.

Burundi geht auf Konfrontationskurs

Als erstes afrikanisches Land hat Burundi die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Gerichtshof im Oktober 2016 aufgekündigt. Das Land steckt seit 2015 in einer schweren politischen Krise, nachdem sich der amtierende Präsident Pierre Nkurunziza trotz starker Proteste erneut bei der Wahl durchsetzte. Bei Ausschreitungen und Verfolgungen rund um die Wahl wurden mehr als 1000 Menschen getötet. Daraufhin leitete der Internationale Strafgerichtshof Anfang des Jahres Vorermittlungen zu UN-Berichten über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen bei der Verfolgung seiner Gegner ein. Im Anschluss daran ging Burundi auf Konfrontationskurs und setzte kurzerhand die Zusammenarbeit mit dem IStGH und dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte aus.

Südafrika erachtet politische Immunität als wichtiger

Dem Austritt des kleinen Binnenstaates in Ostafrika, Burundi folgte das mächtige Südafrika. Unter Nelson Mandele einst großer Befürworter des internationalen Gerichts, begründet der Justizminister Michael Masutha den Austritt jetzt damit, dass das Land politische Immunität von Staatsoberhäuptern als wichtiger erachte als eine Mitgliedschaft im IStGH. Hintergrund ist die nicht erfolgte Auslieferung des südsudanesischen Präsidenten Umar Hasan al-Baschir, der wegen Völkermordes per internationalem Haftbefehl gesucht wird. Südafrika hätte Al-Bashir festnehmen und nach Den Haag ausliefern müssen als dieser 2015 zu einem Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) anreiste, tat es aber nicht, denn ihm habe politische Immunität zugestanden. Damit hat sich das Land bewusst gegen das Statut des Den Haager Gerichtshofes gestellt, das bei der Vollstreckung seiner Haftbefehle auf die Kooperation seiner Mitgliedsstaaten angewiesen ist.

Gambia fordert Anklagen gegen westliche Länder

Als drittes Land kündigte zuletzt Gambia seinen Austritt an. Der Informationsminister des Landes, Sheriff Bojang, warf dem Gericht vor, die Kriegsverbrechen westlicher Politiker völlig zu ignorieren. „Seit der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes haben viele westliche Länder, mindestens 30 von ihnen, abscheuliche Verbrechen gegen unabhängige Staaten und deren Bürger begangen, und kein einziger westlicher Kriegsverbrecher wurde je angeklagt“, kritisierte er. Als Beleg dafür nannte er die Weigerung des IStGH den früheren britischen Premierminister Tony Blair wegen des Irak-Kriegs anzuklagen. Der Austritt Gambias ist besonders bemerkenswert, da die Chefanklägerin des IStGH, Fatou Bensouda, aus Gambia stammt.

Zukunft des Gerichtshofes ist abhängig von seinen Mitliedern

Der Internationale Strafgerichtshof zählt nach den Austritten der drei afrikanischen Länder noch mehr als 120 Mitgliedsstaaten. Afrika stellt mit über 30 Mitgliedsstaaten eine große Gruppe. Falls sich weitere afrikanische Staaten der beginnenden Austrittswelle anschließen,  könnte das gravierende Auswirkungen auf die Legitimität des Weltstrafgerichts haben. Denn seine Akzeptanz lebt von der Zahl seiner Mitglieder. Die Autorität des Strafgerichtes ist bereits dadurch geschwächst, dass die bevölkerungsreichsten Großmächte USA, Russland, China, Indien und fast alle arabischen Staaten sowie Israel und Iran nicht Mitglied sind.

Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas hat sich indes offiziell zur Mitgliedschaft im Strafgerichtshof bekannt. „Das Streben nach einem globalen System auf der Basis des Rechts, wo Verantwortung und soziale Gerechtigkeit die Grundlage des dauerhaften Friedens bilden, sollte ein prioritäres Ziel für die internationale Gemeinschaft sein“, sagte Nigerias UN-Botschafter am Montag vor der UN-Vollversammlung in New York.

Foto: Eurojust in The Hague, Netherlands, Vincent van Zeijst, CC BY-SA 3.0