Die fossile Lobby: Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen durch bewusst falsche Kommunikation

Klimaschutzmaßnahmen sind vergleichsweise jung. Das liegt auch an der bewusst falschen Kommunikation der fossilen Lobby, die effektive Maßnahmen über Jahrzehnte verzögerte.

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Die fossile Lobby: Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen durch bewusst falsche Kommunikation

Die Klimanotlage und die daraus resultierende Krise ist kein neues, plötzlich auftretendes Phänomen. Bereits 1965 erwartete ein offizieller Expertenbericht für den damaligen US-Präsidenten Johnson einen u.a. durch die Nutzung fossiler Brennstoffe verursachten CO2-Anstieg um 25 Prozent bis zum Jahr 2000 und warnte vor einer für die Menschen schädlichen Klimaveränderung. 1988 wurde die globale Erderwärmung offiziell bestätigt, zwei Jahre später erschien der erste Weltklimaratsbericht und im Juni 1992 einigten sich fast alle Staaten der Erde auf die UN-Klimarahmenkonvention mit dem Ziel, eine gefährliche Klimakrise zu verhindern. (1) Warum verbrennen wir dann, mehr als ein halbes Jahrhundert nach Veröffentlichung der ersten Expert*inneneinschätzungen, immer noch fossile Brennstoffe, heute teilweise sogar mehr als früher?

Abwehrkampagne und Verschwörungstheorie gegen Klimaschutz  

Der wohl wichtigste Grund ist die bereits in den 1980er-Jahren angelaufene Abwehrkampagne gegen Klimaschutz durch fossile Energiekonzerne und durch Staaten wie Russland und Saudi-Arabien, die vom Verkauf fossiler Energie leben. Die Unternehmen entwickelten damals, zusammen mit PR-Expert*innen, einen Strategieplan – den Global Climate Science Communications Plan – der die Klimawissenschaft als umstritten darstellen und die Glaubwürdigkeit für die Öffentlichkeit untergraben sollte. Dafür wurden falsche Expert*innen gekauft, unter ihnen US-Astrophysiker Willie Soon, der über Jahrzehnte fast ausschließlich durch die fossile Energielobby finanziert wurde. Er behauptete, die Erderhitzung sei durch Sonnenaktivität verursacht – eine bereits damals rasch widerlegte These. (1)

Große Aufmerksamkeit bei Klimaleugner*innen erhielt auch der „Climategate-Skandal“ im Jahr 2009. Kurz vor dem für den Klimaschutz als so wichtig erachteten Klimagipfel wurden Tausende von der Universität East Anglia gestohlene Klimaforscher*innen-E-Mails und Dokumente im Internet veröffentlicht. Ein Großteil davon war banalen Inhalts, einige kurze, selektiv zitierte Ausschnitte daraus lieferten etlichen Medien, konservativen Politiker*innen und Klimaleugner*innen jedoch vermeidliche Belege dafür, dass es keine Klimakrise gebe und die Theorie der globalen Erderhitzung lediglich eine Verschwörung sei. Mehrere unabhängige Untersuchungen in der Folge kamen zu dem Ergebnis, dass es keine Belege für ein Fehlverhalten der Wissenschaftler*innen gebe. Doch die „Climategate“-Kontroverse reiht sich ein in eine Serie von „Angriffen“ gegen die Klimaforschung, die von einer „gut finanzierten, hochgradig komplexen und relativ koordinierten ‚Leugnungsmaschinerie‘ ausgeführt wurden“. (2)

Imagewandel: Von Klimaleugnenden zu „humanitären Klimarettenden“?

Die Lobbykampagne für fossile Energien und gegen die Klimawissenschaft war ein Erfolg für seine Urheber*innen und verzögerte den notwendigen Ausstieg aus den fossilen Energien um Jahrzehnte. Doch bereits seit Mitte der 2000er-Jahre ist die Industrie davon abgegangen, die Klimakrise öffentlich in Frage zu stellen. Stattdessen wird zu subtileren Strategien gegriffen: Konzerne weisen z.B. auf ihren Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit hin. So ist ExxonMobil, US-Ölgigant, laut eigenem Twitterkanal Vorreiter in Sachen Windenergie, hilft dabei Plastikmüll in Chile zu recyclen, den weltweiten Kampf gegen Malaria zu fördern, Kindern aus Entwicklungsländern die Chance auf einen Job und eine Karriere zu geben, und unterstützt die Erreichung der Pariser Klimaziele. Laut einer 2021 veröffentlichten Harvard-Studie ist diese Kommunikation eine ganz bewusste Strategie, um politische Maßnahmen gegen die Klimanotlage zu verlangsamen, Ölunternehmen aus der Verantwortung zu ziehen und den Nutzen von Öl und Gas in der Gesellschaft zu legitimieren. (3)

„Verantwortung tragen die Konsument*innen allein“

Die Verantwortung für die Klimakrise auf Konsument*innen zu schieben sei laut der Studie eine andere Strategie der Unternehmen. Diese Krise, so die Argumentation, würde überhaupt nicht existieren, wäre die Nachfrage nach Öl und Gas nicht so groß. Ölunternehmen würden lediglich auf den bestehenden Energiebedarf reagieren. Es liege in den Händen der Konsument*innen, die „richtigen“ Kaufentscheidungen zu treffen. Zwar schätzt auch die Wissenschaft die Relevanz von persönlichen Konsumentscheidungen als hoch ein. Viel wichtiger aber sind systematische Veränderungen, die Staaten und auch Ölkonzerne zur Verantwortung  ziehen, beispielsweise mithilfe eines effektiven CO2-Preises oder strengeren Auflagen. Denn Unternehmen wie ExxonMobil, BP oder Shell gehören zu jenen 20 Unternehmen, die zusammen für ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind. (3)

Quellen

(1) Spiegel: „Die Macht des Zweifels“ (April 2022)

(2) klimafakten.de: „Kann man sich auf die Klimaforschung verlassen?“ (August 2021)

(3) Der Standard: „Wie Big Oil Konsumenten für den Klimawandel verantwortlich macht“ (September 2021)

Harvard-Studie: „Rhetoric and frame analysis of ExxonMobil’s climate change communications“ (Mai 2021)

Verfasst am 14.6.2022