Grenzen der Fairness in der Visumspolitik

Die Sparpolitik im Bundeshaushalt bedroht Entwicklungszusammenarbeit und stellt die Einhaltung internationaler Verpflichtungen in Frage.


Während deutsche Passinhaber*innen weitreichende Reisefreiheiten genießen, sehen sich afrikanische Reisende mit erheblichen Einschränkungen durch europäische Einreisebestimmungen konfrontiert.



Namibia hat dieses Jahr für 31 Länder, darunter Deutschland, eine Visumspflicht eingeführt. Die neue Regelung betrifft all diejenigen Länder, die die Visafreiheit Namibias in der Vergangenheit nicht erwidert haben. Es setzt ein Zeichen gegen die globale Ungerechtigkeit in den Einreisebestimmungen zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden. Ein Blick auf das Passport Index Ranking 2024 zeigt, dass ein deutscher Pass eine Einreise in 177 Länder ohne Visum oder mit Visum on arrival erlaubt. Dabei zählt ein nabischer Pass gerade mal 80 solcher Reiseziele. Zudem wird Staatsbürger*innen aus afrikanischen Ländern unverhältnismäßig oft ein Visum verweigert. Sechs von zehn Nationaltäten, die am häufigsten für ein Schengen Visum abgelehnt werden, stammen vom afrikanischen Kontinent. So wurde rund die Hälfte der Schengen-Anträge aus den Ländern Ghana, Mali, Sudan, Guinea und Guinea-Bissau im Jahr 2023 abgelehnt.

Interpretationsspielraum in Visa-Erteilung

Die hohen Ablehnungsraten können mehreren Gründen haben. Menschen, die nur für kurze Zeit nach Europa einreisen wollen, müssen ein Schengenvisum beantragen und verschiedene Kriterien dafür erfüllen. Das Visum gilt in 26 europäischen Ländern, ist bis zu drei Monaten gültig und sehr begehrt. Die Reisenden müssen unter anderem einen „plausiblen Grund“ für ihren Besuch vorweisen, darunter fällt eine Einladung durch Bekannte, Besuch von Verwandten oder eine berufliche Reise. Die Bereitschaft zur Ausreise nach Ablauf des Visums soll mit engen persönlichen Bindungen und einem Arbeitsvertrag im Heimatland nachgewiesen werden.

Wie fragwürdig das letzte Kriterium ist, zeigte sich 2022, als der Kunstforscher Albert Gouaffo und sein Team aus Kamerun nicht nach Deutschland einreisen durften, da „begründete Zweifel an ihrer Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten auszureisen“ bestünden, die für die Öffentlichkeit nicht weiter erläutert wurden. So konnten sie nicht an einer Abschlusskonferenz eines Forschungsprojekts zur Herkunft und Bedeutung von afrikanischen Kunstwerken teilnehmen, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts aus Kamerun nach Deutschland gebracht wurden. Dieses Beispiel zeigt, wie Menschen im Verfahren der Visaerteilung der subjektiven Einschätzung der Sachbearbeiter*innen ausgeliefert sind, die die Absichten der Antragstellenden nach eigenem Ermessen interpretieren können.

Visa-Regeln als Druckmittel für afrikanische Regierungen

 Die EU wirft den afrikanischen Regierungen seit Jahren vor, sogenannte Rücknahmen von Migrant*innen zu verzögern, indem sie zum Beispiel die benötigen Reisedokumente nicht ausstellen. Um Druck auf die Länder auszuüben, hat die EU daher eine Visa-Reform durchgeführt. Jetzt kann das Einreiserecht nach Nationalität bewertet werden. Ist ein Staat kooperativ, haben seine Bürger*innen höhere Chancen auf die Genehmigung ihres Visa-Antrags. Sind sie es nicht, droht die EU damit, Anträge aus diesen Ländern länger zu bearbeiten, die Gebühren weiter anzuheben oder die Gültigkeit der Visa zu begrenzen.

Solche Reformen der EU können jedoch auch als mangelnde Kooperation ihrerseits gedeutet werden und das Gegenteil bezwecken. Am Ende sind es die afrikanischen Reisenden, die am stärksten unter den politischen Kämpfen leiden und keinen Einfluss auf die Situation haben.

Eine Frage des Geldes

 Personen, die einen längeren Aufenthalt in Deutschland planen, wie etwa für ein Studium, müssen ein nationales Visum beantragen. Es wird nur gewährt, wenn ein plausibler Aufenthaltszweck vorliegt. Dieser ist im Aufenthaltsgesetz streng geregelt und beinhaltet z.B. Arbeitsaufnahme, Studium oder Familiennachzug. Zudem müssen Antragsteller*innen nachweisen, dass sie über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Studierende beispielsweise müssen für die gesamte Dauer ihres Aufenthalts entweder über Ersparnisse in Höhe von 992 Euro pro Monat verfügen oder ein fortlaufendes Einkommen mit diesem Betrag vorweisen. Ein Studium in Deutschland ist damit für die meisten undenkbar.

Eine Frage der Herkunft

Obwohl für das Nationalvisum im Unterschied zum Schengenvisum offiziell keine Weisungen existieren, Anträge nach Nationalität unterschiedlich zu behandeln, zeigen Statistiken eine andere Realität. Insbesondere Antragsteller*innen aus afrikanischen Ländern, vor allem aus Kriegs- und Konfliktgebieten, haben es schwer. Zwischen 2014 und 2017 wurden beispielsweise nur sechs Prozent der Anträge aus Südafrika abgelehnt, verglichen mit 24 Prozent aus Nigeria. Insgesamt wurden 22 Prozent aller Visaanträge aus Afrika abgelehnt, verglichen mit nur acht Prozent aus Europa und zehn Prozent aus Asien.

Während ein EU-Pass ohne große Hürden den Zugang zu den meisten Ländern der Welt öffnet, müssen Menschen aus afrikanischen Ländern ihre finanzielle Situation, berufliche Tätigkeiten, Reisepläne und sogar persönliche Beziehungen für ein Visum offenlegen. Nicht nur die Anforderungen, sondern auch der bürokratische Prozess selbst stellen eine erhebliche Barriere dar, die, so hat es den Anschein, vor allem dazu dient, möglichst viele Menschen aus bestimmten Regionen der Welt aus Europa fernzuhalten.

Quellen

Verfasst am 15. August 2024

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