Der Norden Nigerias versinkt immer mehr im Terror von Boko Haram. Die Gewalt greift nun auch auf die Nachbarländer Niger, Kamerun und Tschad über, wo über 180.000 Nigerianer Schutz und Zuflucht suchen. Was das für die Hilfe bedeutet, schildert die UNHCR-Mitarbeiterin Bettina Schulte aus dem Tschad: „Allein in den letzten zwei Monaten sind über 15.000 Nigerianer in den Tschad geflohen und wir rechnen mit weiteren Flüchtlingen. Denn die Situation in Nigeria ist grauenvoll. Flüchtlinge haben mir von unvorstellbaren Gräueltaten berichtet. Viele von ihnen sind nur knapp dem Tod entkommen. Sie flohen Hals über Kopf – ohne die Chance, etwas zu retten. Über die Hälfte der Flüchtlinge sind Kinder und Jugendliche, die zum Teil alleine hier im Tschad ankommen – entweder weil die Eltern tot sind oder weil sie auf der Flucht voneinander getrennt wurden. Dieser Hilfseinsatz ist für besonders schwierig: Es ist eine sehr abgelegene Region, ohne Infrastruktur. Es gibt kaum Straßen und die Kommunikation ist extrem schwierig, da es so gut wie kein Telefonnetz gibt. Die Dörfer, die Flüchtlinge aufgenommen haben, sind komplett überfordert. Die meisten Flüchtlinge aus Nigeria kommen mit kleinen Booten und Kanus über den Tschadsee. Dort gibt es hunderte kleine Inseln, auf denen die Menschen festsitzen. Es ist ein logistischer Alptraum, sie von dort weiter ins Landesinnere zu bringen. Dazu kommt die unberechenbare Sicherheitslage: Die Situation ist komplex und undurchsichtig, fast jede Woche ist irgendwo ein Anschlag. Um die Flüchtlinge besser versorgen und die Dorfgemeinden entlasten zu können, haben wir ein Flüchtlingslager gebaut. Dort erhalten die Flüchtlinge eine Unterkunft, etwas zu essen, Hilfsgüter wie Wasserkanister, Küchensets, Seife, Schlafmatten oder Decken und sie werden medizinisch versorgt. Wir sind auf einem guten Weg. Aber für die kommenden Wochen rechnen wir mit weiteren Flüchtlingen. Daher müssen wir unsere Hilfsmaßnahmen ausweiten. Dabei brauchen wir dringend Unterstützung!“ Doch hin und wieder passieren auch schöne Dinge, meist, wenn man am wenigsten damit rechnet. So wie bei Moussa, der im Flüchtlingslager seine Frau kennenlernte und heiratete: „Ich habe heute geheiratet“, strahlt Moussa, der seine große Liebe erst vor wenigen Wochen im Tschad kennen gelernt hat. „Wir hatten heute Morgen eine kleine Zeremonie und heute Abend steigt die große Party mit Musik und Tanz. Wir haben zwar keine traditionellen Hochzeitskleider und kein Hochzeitsessen, aber Zara ist meine große Liebe“, erklärt der 28jährige Bräutigam. Auch wenn ihre Ehe von keiner offiziellen Stelle bescheinigt werden kann, so sind sie in den Augen ihrer Gemeinde jetzt ein Ehepaar. Das junge Glück bringt ein wenig Freude und Hoffnung in das Leben der mehr als 3.600 Flüchtlinge, die im Flüchtlingslager Dar es Salam leben. Wie Moussa flohen viele von ihnen aus der Stadt Baga im Nordosten Nigerias, die im Januar schwer von Boko Haram attackiert wurde (Foto: UNHCR). Flucht über den Tschadsee Moussa brauchte zwei Tage, um sich per Boot über den Tschadsee in Sicherheit zu bringen. „Milizionäre bedrohten meine Familie und töteten meine Tante, weil sie ihnen kein Geld geben wollte. Als ich die Schüsse hörte, rannte ich zum See. Überall lagen Tote. Eine Frau watete durch hüfthohes Wasser und trug ihr Baby auf den Rücken geschnürt. Irgendwann bemerkte sie, dass ihr Kind nicht mehr lebte. Ihr blieb keine andere Wahl, als es im Wasser zurückzulassen und weiter zu gehen und sich selbst in Sicherheit zu bringen“, erinnert sich Moussa an die dramatischen Ereignisse am Tag seiner Flucht. Zunächst verbrachte er einige Tage in Ngouboua. Doch der Ort liegt direkt an der Grenze zu Nigeria und ist stark gefährdet. Am 13. Februar kamen Boko Haram Milizen über den See und überfielen den Ort. Sieben Menschen starben dabei. Um die Flüchtlinge besser schützen zu können, stellte die tschadische Regierung Land für ein Flüchtlingslager weiter im Landesinneren zur Verfügung. UNHCR hilft dabei, die Flüchtlinge dorthin umzusiedeln und versorgt sie im Lager mit allem, was nötig ist. Eine Braut zu finden, war das Letzte, das er im Tschad erwartet hatte Moussa überlegte erst lange, wie er es schaffen könnte, zurück nach Hause zu kommen. Doch dann lernte er die 19jährige Zara beim Wasser holen kennen. Er half ihr beim Pumpen, trug ihr das Wasser nach Hause und verbrachte viel Zeit mit ihr. „Ich mochte ihre ernsthaftes Auftreten und unsere offenen und ehrlichen Diskussionen“, erinnert er sich an die ersten Begegnungen. Aus der Freundschaft wurde schnell Liebe und Moussa bat sie schon nach kurzer Zeit um ihre Hand. Danach entschied auch er sich, gemeinsam mit seiner zukünftigen Braut nach Dar es Salam umzusiedeln. „Das schönste Geschenk sind der Frieden und die Sicherheit hier in Dar es Salam“, erklärt Moussa. „Ich freue mich, heute mit meiner Frau unsere eigene Hütte zu beziehen“, fügt er hinzu. Foto: UNO-Flüchtlingshilfe Mehr Informationen zur Arbeit der UNO-Flüchtlingshilfe finden Sie hier.