Das Entwicklungsversprechen des Tourismus

Einnahmen im Tourismus sollen Armut bekämpfen, doch am Beispiel Sansibars wird deutlich, dass der Großteil der Profite im Ausland entsteht, während die lokale Bevölkerung nur marginal davon profitiert.

Tourismus ist seit den 1960er Jahren ein wichtiger Bestandteil der wirtschaftlichen Entwicklungsstrategien in vielen Ländern des Globalen Südens. Ein besonders anschauliches Beispiel dafür ist Sansibar, wo der Tourismus 80 Prozent der Einnahmen aus dem Ausland ausmacht. In den letzten Jahren hat das Reiseziel stark an Beliebtheit gewonnen. Das Flugsuchportals Skyscanner untersucht jedes Jahr die Nachfrage nach neuen Flugverbindungen, die es als Direktflug noch nicht gibt. So zählten im Jahr 2022 die Direktflüge nach Sansibar zu den am häufigsten nachgefragten Verbindungen weltweit, darunter insbesondere ab Berlin-Brandenburg, Warschau und Wien. Trotz der zentralen Rolle des Tourismus für die Wirtschaft stellt sich jedoch die Frage: Inwiefern wird das Versprechen von wirtschaftlicher Entwicklung durch den Tourismus eingelöst?

Tourismus als Mittel zur Armutsbekämpfung

Neben der Förderung des wirtschaftlichen Wachstums des Landes wird Tourismus auch als ein Mittel zur Armutsbekämpfung betrachtet, der direkt die armen Bevölkerungsschichten beteiligt. Dies gilt insbesondere für landwirtschaftlich geprägte Länder. So entsteht beispielsweise in Hotels eine Nachfrage nach regional produzierten Lebensmitteln, die von lokalen Landwirt*innen gedeckt werden kann. Zusätzlich schafft der Tourismus zahlreiche Arbeitsplätze, insbesondere in Hotels und Gastronomiebetrieben. Globale Erfahrungen zeigen, dass jedes neu gebaute Hotelzimmer im Durchschnitt drei neue Jobs schafft: einen im Hotel selbst, einen weiteren in der Tourismusbranche und einen dritten durch indirekte Verknüpfungen. So können 10.000 Hotelzimmer theoretisch insgesamt 30.000 Arbeitsplätze schaffen, die überwiegend von ausländischen Touristen finanziert werden. Zudem bringen Hotelanlagen den Ausbau von Infrastruktur mit sich, weil Strom- und Wasseranlagen sowie Straßen ausgebaut werden.

Geringe Beschäftigung der lokalen Bevölkerung in Führungspositionen

Trotz der potenziellen Vorteile gibt es erhebliche Herausforderungen. Auf Sansibar wird die Kluft zwischen Einnahmen und tatsächlicher Beteiligung der lokalen Bevölkerung an den Gewinnen sichtbar. In diesem Sektor werden rund 27 Prozent des Bruttoinlandprodukts und 80 Prozent der Einnahmen aus dem Ausland generiert. Doch die wirtschaftlichen Vorteile für die lokale Bevölkerung bleiben begrenzt: Im Jahr 2009 machten Zanzibaris lediglich 5 Prozent der direkten und indirekten Beschäftigten im Tourismussektor aus. Diese Zahl stieg bis 2019 auf etwa 25 Prozent, doch drei Viertel der Arbeitskräfte sind weiterhin Nicht-Einheimische. Besonders in Führungspositionen bleibt die lokale Bevölkerung unterrepräsentiert: In Hotels und Restaurants stellen Zanzibaris nur 46 Prozent bzw. 11 Prozent der Angestellten in Führungspositionen, während sie in den niedrig qualifizierten Berufen 83 Prozent der Arbeitskräfte in Hotels und 70 Prozent in Restaurants ausmachen.

Abwanderung der Einnahmen ins Ausland

Häufig wird die Kontrolle über touristische Infrastruktur von lokalen Eliten oder internationalen Unternehmen übernommen, was zu einer Abwanderung der Gewinne ins Ausland führt. Dies geschieht insbesondere im Bereich der 4- und 5-Sterne-Hotels. Diese Hotels sind meist all-inclusive, was bedeutet, dass Touristen die meisten Ausgaben bereits im Ausland tätigen. Infolgedessen verbleiben nur etwa 20-45 Prozent der Urlaubsausgaben tatsächlich in Sansibar. Die ausländischen Investoren erzielen hohe Gewinne, während die lokalen Hotels, die meist in den unteren Kategorien mit weniger Sternen angesiedelt sind, mit geringer Auslastung kämpfen. Die niedrigen Auslastungsraten resultieren oft aus fehlenden Investitionen und internationalen Standards, die diese Hotels nicht erfüllen können.

Auch bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zeigt sich die Abhängigkeit von Importen. Nur 17 Prozent der in der Tourismusbranche verwendeten Produkte und Dienstleistungen werden lokal bezogen. Im Jahr 2016 waren lediglich 15 Prozent der Lebensmittel, 6 Prozent der Getränke und 17 Prozent der Unterkunftsangebote in der Branche lokal. Dies führt zu erheblichen wirtschaftlichen „Leakages“, da die Einnahmen, die dem lokalen Markt zugutekommen könnten, in andere Länder abfließen.

Der Teufelskreis als strukturelles Problem

Diese touristische Entwicklung auf Sansibar verstärkt bestehende Ungleichheiten, indem sie vorwiegend ausländische Interessen bedient und nur wenig zur Armutsbekämpfung beiträgt. Das Muster ist nicht auf Sansibar beschränkt, sondern zeigt sich in vielen afrikanischen Ländern. Botswana, Kenia, Südafrika und Simbabwe haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Dadurch kann der Teufelskreis der fehlenden Einnahmen für die Einheimischen, der sie daran hindert, in eigene Unternehmen zu investieren, nicht durchbrochen werden.

Quellen

Verfasst am 10. Oktober 2024

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