Kaum ein Thema dominiert die Nachrichten in dieser Woche so sehr wie das bevorstehende Referendum um den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union und die möglichen Folgen eines Austritts – dem sogenannten Brexit – für den Rest Europas. Weniger beachtet werden die Konsequenzen, die ein möglicher Brexit für andere Regionen der Welt, zum Beispiel die Länder Afrikas haben könnte, insbesondere für frühere Kolonialstaaten. Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit Ein Bereich, der unumgänglich vom Brexit betroffen wäre, ist die Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern Afrikas. Die EU ist der größte Geldgeber in Afrika, einen Großteil der Gelder steuert Großbritannien durch seine koloniale Vergangenheit bei. "Ich glaube, dass der Brexit große Auswirkungen auf die Höhe und die Art der Entwicklungshilfe für Subsahara-Afrika hätte", sagt Bloggerin Uzo Madu, die in ihrem Blog „What’s in it for Africa“ die Folgen der EU-Politik für Afrika untersucht. Zudem, warnt Robert Kappel vom German Institute of Global and Area Studies (GIGA), würde die Expertise der Briten in der EU-Entwicklungskooperation wegfallen. Auch Vertreter großer Nichtregierungsorganisationen wie Save the Children, Oxfam oder Christian Aid zeigten sich in einem offenen Brief besorgt über die Folgen eines Brexit für Großbritanniens Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit. Durch die EU würde jeder Euro, den Großbritannien beisteuert, um sechs Euro, die von anderen Mitgliedsstaaten kommen, erhöht. EU-Agrarpolitik mit den Ländern Afrikas Ein Punkt der Diskussion ist die Frage, welche Folgen ein möglicher Austritt Großbritanniens für EU-Agrarabkommen mit den Ländern Afrikas zu tun hat. Immer wieder wird kritisiert, dass die EU-Subventionen für europäische Agrarprodukte dem afrikanischen Markt schaden würden und es den Bauern vor Ort unmöglich machten, konkurrenzfähig zu bleiben. Großbritannien ist einer der größten, und lautstärksten Gegner dieser Politik – ein Verbleib könnte folglich positive Folgen für viele Länder Afrikas haben, da sich Großbritannien in der EU gegen diese für die Wirtschaft vieler afrikanischer Länder schädliche Abkommen wehren könnte. Mit einem Ausstieg Großbritanniens würde ein wichtiger Fürsprecher wegfallen. Historische Bedeutung der britischen EU-Mitgliedschaft für ehemalige Kolonien Der Beitritt Großbritannien zu der EU im Jahr 1973 hatte positive Auswirkungen auf den afrikanischen Kontinent – insbesondere für die Commonwealth-Staaten Sie verweist aber auch auf die historische Bedeutung der britischen EU-Mitgliedschaft für die ehemaligen afrikanischen Kolonien des Landes: "Mit dem EU-Beitritt Großbritanniens im Jahr 1973 gehörten die afrikanischen Commonwealth-Staaten endlich auch zum EU-Afrika-Club und konnten von bevorzugten Handelsbedingungen profitieren“. Zu den Commonwealth Staaten in Afrika gehören unter anderem Südafrika, Nigeria, Ghana und Namibia. Studien zufolge könnte besonders die südafrikanische Wirtschaft unter einem Brexit leiden: das Wirtschaftswachstum könnte sich um 0.1 Prozentpunkt reduzieren, da das Land sehr enge Wirtschaftsbeziehungen mit Großbritannien pflegt. Bild: Brexit / EU Scrabble, Jeff Djevdet, CC BY 2.0