Ob zu Karneval, bei Mottopartys oder zu Halloween – das Verkleiden gehört für viele zu den lustigsten Formen des Ausdrucks: In andere Rollen schlüpfen, für einen Moment jemand völlig anderes sein, der Fantasie freien Lauf lassen. Die Auswahl an Kostümen ist dabei oft so bunt wie die Anlässe selbst. Doch mit dieser Freiheit geht auch Verantwortung einher.Nicht jede Verkleidung ist harmlosBesonders dann, wenn kulturelle Symbole und Identitäten zum Kostüm werden, stellt sich die Frage: Ist beim Verkleiden wirklich alles erlaubt? Die klare Antwort: Nein! Denn wenn kulturelle Identität selbst zur Verkleidung wird, geraten schnell Grenzen des Respekts ins Wanken.Der Begriff der kulturellen Aneignung, der bereits seit den 1980er Jahren in wissenschaftlichen Kreisen diskutiert wird und insbesondere in den sozialen Medien in den letzten Jahren ein breiteres und neueres Publikum erreicht, beschreibt den Moment, in dem Menschen – in der Regel aus einer gesellschaftlich dominanten Gruppe – Symbole, Kleidung oder Traditionen aus Kulturen übernehmen, die häufig marginalisiert oder unterdrückt wurden und werden, ohne deren Bedeutung oder historischen Kontext zu kennen oder diese bewusst ignorieren. Beim Verkleiden wird kulturelle Aneignung oft besonders problematisch – denn was als "witziges" Kostüm gemeint ist, basiert nicht selten auf stereotypen Vorstellungen und trägt dazu bei, andere Kulturen zu karikieren oder (unbewusst) herabzuwürdigen.Das sogenannte „Indianerkostüm“ beispielsweise ist und war über viele Jahre hinweg ein fester Bestandteil des Karnevals. Doch in die Rolle eines als „Indianer“ verkleideten Charakters zu schlüpfen – eine Darstellung, die auf einer kolonialen Fremdzuschreibung beruht und keine real existierende Kultur repräsentiert – ist nicht harmlos. Es ist eine Reduzierung jahrtausendealter Kulturen auf Federschmuck, Lederimitat und Kriegsbemalung.Auch die vermeintliche „Geisha“, die im westlichen Kontext häufig verzerrt und sexualisiert dargestellt wird oder der „Sultan“, dessen märchenhafte Inszenierung häufig gängigen orientalischen Stereotypen folgt, gehören in diese Kategorie. Es werden komplexe Identitäten in exotisierte, stereotype Bühnenbilder verwandelt, während die Achtung gegenüber ihrer Geschichte, Identität und gelebter Erfahrung missachtet wird.Wenn kulturelle Aneignung und Rassismus ineinandergreifenBesonders problematisch wird es, wenn kulturelle Aneignung in offene rassistische Darstellungen übergeht – etwa bei Kostümen, die sich auf Schwarze Communities oder den afrikanischen Kontinent beziehen. Frisuren wie Cornrows oder Dreadlocks, die im Rahmen von Mottopartys getragen werden, spiegeln eine Aneignung wider, die die historische Bedeutung und die Diskriminierungserfahrungen Schwarzer Menschen ausblendet. Noch deutlicher wird es bei Verkleidungen, die auf stereotype Bilder zurückgreifen, die in der Kolonialzeit entstanden sind und bis heute fortwirken – etwa die Darstellung vermeintlich „ursprünglicher“ oder „kriegerischer“ afrikanischer Figuren. Tiermuster, Speere, Knochenketten oder künstlich dunkel geschminkte Haut („Blackfacing“) reproduzieren ein rassistisches Bild, das die kulturelle Vielfalt afrikanischer Gesellschaften auf exotisierte Klischees reduziert.„Ich bin kein Kostüm“ Eine eindrucksvolle Reaktion auf die Problematik ist die Plakatreihe „Ich bin kein Kostüm“: Ursprünglich von der US-amerikanischen Studierendengruppe S.T.A.R.S. (Students Teaching About Racism in Society) entwickelt, wurde sie vom Forum gegen Rassismus und Diskriminierung auch in Deutschland aufgegriffen. U. a. mit Unterstützung des Antidiskriminierungsverbands Deutschland wurde die Kampagne hierzulande sichtbar gemacht. Die Plakate zeigen Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen, die sich mit ihren persönlichen Aussagen klar gegen rassistische Kostümierungen positionieren und zur Reflexion aufrufen.Feiern, ohne zu verletzenKarneval, Mottopartys, Helloween und alle anderen Verkleidungsfeste dürfen bunt, laut und verrückt sein – aber nicht auf Kosten anderer. Wer sich verkleidet, trägt nicht nur ein Kostüm, sondern auch Verantwortung. Kulturelle Symbole sind kein Spielzeug, sondern oft Ausdruck von Identität, Geschichte und Widerstand. Ein respektvoller Umgang damit schränkt den Spaß nicht ein, sondern sorgt dafür, dass wirklich alle Menschen mitfeiern können – nicht als Karikatur, sondern als gleichwertiger Teil einer vielfältigen Gesellschaft.Quellenmdr: Wie migrantische Menschen auf Fasching und Kostüme blicken (März 2025)Denkfabrik Diversität: Drei Tipps für ein diskriminierungsfreies Karneval (Februar 2024)Good Housekeeping: What Is Cultural Appropriation Exactly, and How Do I Avoid It? (Oktober 2021)Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V.: Plakatreihe „Ich bin kein Kostüm!“ (Letzter Zugriff am 5.5.2025)Zeit online: Streit um politisch korrekte Kostüme (Februar 2019)Verfasst am 5. Mai 2025