Merkels Afrikareise – Wir ziehen Bilanz
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Merkels Afrikareise – Wir ziehen Bilanz
Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte auf ihrer Afrikareise vom 9. bis 11. Oktober Mali, Niger und Äthiopien. Alle drei Länder spielen eine wichtige Rolle für die Flüchtlingsproblematik in Europa. Außerdem verbindet die Länder der Umstand, dass sich die Sicherheitslage in der unmittelbaren Vergangenheit zusehends verschlechtert hat. Während für die Kanzlerin bei den Gesprächen mit den Staatsoberhäuptern die Themen Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort, die geplante Migrationspartnerschaft mit Mali und Niger sowie die Stärkung der Friedens- und Sicherheitsarchitektur im Mittelpunkt standen, sprach Merkel auch das kritikwürdige Vorgehen mit Oppositionellen in Äthiopien an.
Mali – militärische Unterstützung wird ausgebaut
Die beiden ersten Stationen der Reise führten Bundeskanzlerin Merkel am 9. und 10. Oktober nach Mali und Niger. Auf ihrem ersten Treffen mit dem Präsidenten der Republik Mali, Ibrahim Boubacar Keïta, kündigte Merkel an, die drei militärischen Missionen Deutschlands weiter ausbauen zu wollen. Gerade im Norden des Landes sollen die Aktivitäten verstärkt werden, um in der Frage des Wassers, der Landwirtschaft und der Stabilisierung insgesamt voranzukommen. Merkel unterstrich in diesem Zusammenhang, dass die militärischen Unterstützungsleistungen in erster Linie der Entwicklung und der Verbesserung der Sicherheit Malis und der westafrikanischen Region dienen sollen, denn Frieden bedeute nicht nur, dass kein Krieg herrscht, sondern auch, dass bessere Chancen auf wirtschaftliche Entwicklung bestünden. Seitdem der Nordmali-Konflikt zwischen Islamisten und den Tuareg 2012 wieder aufflammte und große Flüchtlingsströme verursachte, konnten militärische Unterstützungsleistungen Frankreichs und zuletzt Deutschlands seit 2014 jedoch keinen Frieden in der Region schaffen. Es ist äußerst fraglich, ob dieser Konflikt, der weit in die malische Geschichte zurückreicht, überhaupt militärisch zu lösen ist. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisiert schon lange den Bundeswehreinsatz in Mali. Nach ihrer Ansicht brauche Nordmali mehr zivile und politische Initiativen sowie Investitionen in Jobs und Entwicklung, um den Frieden zu stabilisieren. Auch in dem kürzlich von uns empfohlenen Film „Mali Blues“ wird der Nordmali-Konflikt als zentrales Problem thematisiert.
Niger – Migrationspartnerschaft mit EU geplant
Im benachbarten Niger, das Merkel am Montag besuchte, hat sich die Sicherheitslage indes ebenfalls verschlechtert, als letzte Woche das Flüchtlingslager für malische Flüchtlinge von mutmaßlichen islamistischen Extremisten angegriffen und 22 Soldaten gezielt exekutiert wurde. Vor diesem Hintergrund gewannen die Gespräche Merkels mit dem malischen Präsidenten Ibrahim Keïta und dem nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu den Themen der Schaffung von Frieden und Stabilisierung der gesamten Region an besonderer Relevanz. Niger spielt für die Flüchtlingsproblematik in Europa ebenfalls eine zentrale Rolle, denn 90 Prozent der Flüchtlinge aus West- und Zentralafrika werden durch den Niger geschleust. Auf ihrer Fluchtroute durch die Sahara über Libyen nach Europa passierten im letzten Jahr 120.000 Flüchtlinge die nigrische Wüstenstadt Agadez, die zuletzt Entwicklungsminister Müller bereiste.
Nachdem Minister Müller auf seiner Afrikareise die Schlüsselrolle des Nigers bei der Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern betonte, hat Merkel nun die geplante EU-Migrationspartnerschaft mit Mali und Niger weiter auf den Weg gebracht. Dies war ein drängender Punkt, den sie gleich nach ihrer Ankunft mit dem malischen Präsidenten Keïta besprach. Hinter der Migrationspartnerschaft verbirgt sich, dass wirtschaftliche Hilfen aus Europa in Zukunft an die Bedingung geknüpft sein werden, dass die Staaten eigene, gflüchtete Bürger zurücknehmen oder Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Der Förderverein PRO ASYL e.V. kritisiert die geplante EU-Migrationspartnerschaft mit Afrika und nennt sie „das neue Flüchtlingsbekämpfungsprogramm“.
Äthiopien – Kanzlerin kritisiert Demokratiedefizite
Die dritte und letzte Station von Merkels Afrikareise war Äthiopien, wo am vergangenen Sonntag der Ausnahmezustand verhängt wurde. Nachdem auf dem Dankesfest zum Ende der Regenzeit, das traditionell von den Oromo begangen wird, Proteste gegen die Regierung ausbrachen, hat sich die Lage im Land bis zur Ankunft Merkels am 11. Oktober nicht beruhigt. Der Besuch Merkels in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba galt als diplomatisch heikel. Denn die Regierung Äthiopiens steht für ihr repressives Vorgehen gegen Oppositionelle, die zum Großteil der unterdrückten Volksgruppe der Oromo angehören, international immer wieder in der Kritik. Trotzdem ist Äthiopien wegen seiner positiven wirtschaftlichen Entwicklung eines der Vorzeigeländer Afrikas.
Tatsächlich wurde Merkel bei ihrem Treffen mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten Hailemariam Desalegn deutlich und sprach die Demokratiedefizite des Landes klar an. „In der Demokratie bedarf es einer Opposition, die eine Stimme hat, und eines Austauschs über die Medien, damit eine Diskussion entsteht“, mahnte sie an. Äthiopien müsse stärker daran arbeiten Demokratie im Land zu schaffen. Deutschland wird seine entwicklungspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Land aber nicht einschränken. Merkel stellte Äthiopien wie auch schon Mali und Niger Beratung der Polizei- und Sicherheitskräfte in Aussicht. Für die Jahre 2015 bis 2020 hat die EU Entwicklungshilfe in Höhe von zwei Milliarden Euro zugesagt. Merkel möchte zudem in Deutschland stärker für private Investitionen in Äthiopien werben.
In Addis Abeba eröffnete Merkel im Anschluss das neu gebaute „Julius Nyerere Gebäudes für Frieden und Sicherheit“, ein mit deutschen Mitteln finanziertes Tagungsgebäude der Afrikanischen Union. In diesem Zusammenhang kam die Kanzlerin auch mit der Kommissionsvorsitzenden der Afrikanischen Union Dlamini Zuma, zu einem Gespräch zu übergreifenden Fragen der Zusammenarbeit im Kontext Frieden und Sicherheit zusammen. Die Afrikanische Union als Hauptmotor für die wirtschaftliche Integration Afrikas wird, so Merkel, in Zukunft einer der zentralen Partner der Europäischen Union sein.
Foto: Angela Merkel 2008, , CC BY-SA 2.5