Geraubte Kunst aus der Kolonialzeit Während der Kolonialzeit brachten Missionare, Reisende, Wissenschaftler, Soldaten oder Kolonialbeamte afrikanische Kunst oder Kulturgegenstände nach Europa und nach Deutschland. In den meisten Fällen wurden die Kunstobjekte in Afrika nicht freiwillig an Europäer abgegeben, sondern wechselten unter Gewalt und durch Erpressung den Besitz. Seit 1886 hatte Berlin ein Völkerkundemuseum, und wurde, wie weitere europäische Völkerkundemuseen, mit Kunstwerken aus den Kolonien befüllt. Da sich die Museen eine Art Wettkampf um die größte ethnologische Sammlung boten, gelangten immer mehr Kunstwerke aus Afrika nach Europa. Es wird davon ausgegangen, dass sich 80 - 90 % des afrikanischen Kulturerbes in Europa befindet. Kritik am Humboldt Forum Das Humboldt Forum wird von der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, die selbst bis 2017 im Expertenbeirat des Humboldt Forums war, als Nachfahre des Völkerkundemuseums bezeichnet. Die ethnologische Sammlung des Humboldt Forums umfasst 500.000 Exponate. Da der Großteil des kulturellen Erbes Afrikas sich in europäischen Museen befindet, welche die Kunstwerke in Zeiten des Kolonialismus ansammelten, und somit in einem Unrechtskontext, werden seit den 1970er Jahren die Forderungen nach einer Rückgabe an die afrikanischen Ursprungsregionen lauter. Als diese Debatte Deutschland erreichte, beschlossen Museumsdirektorinnen und -direktoren, Objektlisten über ihre Exponate nicht zu veröffentlichen. Dieser Umstand sorgt bis heute für Probleme, da der Ursprung vieler Objekte nicht mehr gut nachzuverfolgen ist. Im Humboldt Forum wurden erst im Jahr 2020 vier Stellen für Provenienzforschung eingerichtet. Provenienzforschung ist die Forschung nach der Herkunft und Geschichte von Kunstwerken und Kulturgütern. Ein Herzstück der Ausstellung im Humboldt Forum sollen die Bronzestatuen aus dem vorkolonialen Königreich Benin darstellen. Das Königreich Benin war eine weit entwickelte Monarchie im heutigen Südwesten Nigerias. Ende des 19. Jahrhunderts wurde es von der britischen Kolonialmacht zerstört, da es zu mächtig geworden war. Zuvor plünderten die Briten allerdings die Paläste der Königsfamilien und stahlen wertvolle Kunstwerke. Über Kunsthändler gelangten einige der Statuen nach Deutschland. 2019 forderte der nigerianische Botschafter Yusuf Tuggar die Bronzestatuen offiziell zurück (Restitutionsforderung). Keine einzige der 530 Benin Bronzen, die sich in Berlin befinden, wurde bis jetzt zurückgegeben. Rückgabe von geraubten Kunstwerken aus der Kolonialzeit an ihre Ursprungsregionen 2017 sprach sich der französische Präsident Emmanuel Macron dafür aus, dass in der Kolonialzeit geraubte Kunstwerke zurückgegeben werden müssten. Die Gegenargumente der europäischen Staaten zielen auf die ungenaue oder unmögliche Klärung der tatsächlichen Eigentümerinnen und Eigentümer und die Instabilität einiger afrikanischer Staaten ab. Dies könne dazu führen, dass die Kunstwerke nicht sachgemäß untergebracht werden könnten und so nicht gut erhalten bleiben. Die Europäer legitimierten und legitimieren den Besitz von geraubter Kunst damit, dass diese Kunstwerke wichtige Forschungsobjekte seien. Allerdings sind die meisten geraubten Kunstwerke in Deutschland weder ausgestellt noch wissenschaftlich begutachtet worden. Bis heute wurden zwar neue Richtlinien vom Humboldt Forum vorgestellt, welche einen multilateralen Austausch über Exponate bestrebt und die Herkunft der Objekte feststellen will. Eine Rückgabe als Ziel der meisten Untersuchungen ist allerdings nicht angestrebt, so heißt es auf der Webseite der Stiftung Preußischer Kulturbesitz stattdessen bloß: “In bestimmten Fällen kann auch eine Rückgabe in Frage kommen”. Quelle: o. A. / Auf den Spuren kolonialer Raubkunst in Deutschlandfunk Nova vom 12.12.2020 o. A. / Streit um das Humboldt Forum in Deutschlandfunk Nova vom 19.03.2018 Jedicke, P. / Berliner Humboldt Forum: Start mit offenen Fragen in DW vom 16.12.2020