Transitlager Adré im Tschad: Herausforderungen und Lösungen in der Versorgung von Geflüchteten

Der Tschad bewahrt im Zuge des Krieges im Sudan offene Grenzen für Geflüchtete und kooperiert eng mit internationalen Organisationen, um humanitäre Hilfe zu gewährleisten.

Im April 2023 ist die sudanische Regierung zusammengebrochen. Zwei Fraktionen hatten zuvor den Militärischen Ãœbergangsrat gestellt: die sudanischen Streitkräfte Sudanese Armed Forces (SAF) und die Miliz Rapid Support Forces (RSF). Nun führen sie Krieg gegeneinander und ziehen damit den Sudan in eine der weltweit größten Vertreibungskrisen. Seitdem nehmen die Geflüchtetenzahlen aus dem Sudan in den Tschad deutlich zu. Das stellt das Land vor neue humanitäre Herausforderungen. An der Grenze zu Sudan verteilen sich auf etwa acht Lager 780 000 Geflüchtete. Im Transitcamp Ecole von Adré allein leben laut den Vereinten Nationen (UN) inzwischen 216 000 Menschen. Doch eigentlich dürfen Geflüchtetenlager nicht zu nah an der Grenze zu Kriegsländern gebaut werden – es gilt eine Mindestdistanz von 30 Kilometern. Um zu verhindern, dass in Adré, das nur zwei Kilometer von der sudanesischen Grenze entfernt liegt, ein permanentes Lager entsteht, stellt die UN weder Unterkünfte noch Baumaterialien zur Verfügung. Auch die tschadische Regierung möchte verhindern, dass der Konflikt auf ihr Gebiet übergreift oder Kämpfer in den Lagern rekrutiert werden. Trotzdem sind viele Menschen gezwungen, über ein Jahr im Transitlager zu verbleiben.

Wer koordiniert das Lager?

Die zentrale Rolle bei der Verwaltung der Geflüchtetenlager im Tschad spielt die Nationale Kommission für die Aufnahme und Reintegration von Geflüchteten und Rückkehrern (La Commission Nationale d'Accueil de Réinsertion des Réfugiés et des Rapatriées). Diese Kommission stellt Dokumente für die Geflüchteten aus und berät die Regierung hinsichtlich langfristiger Lösungen, einschließlich der freiwilligen Rückkehr, der Umsiedlung und der lokalen Integration. Die lokalen tschadischen Behörden arbeiten mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) zusammen, um die Versorgung und Sicherheit der Geflüchteten zu gewährleisten. Der UNHCR koordiniert in den meisten Fällen NGOs wie das Welternährungsprogramm (WFP) und Ärzte ohne Grenzen (MSF) und sorgt dafür, dass humanitäre Dienste aufeinander abgestimmt sind, um Doppelarbeit zu vermeiden und die Effizienz der Hilfe zu maximieren. Die EU unterstützt die UNHCR-Koordination, indem sie logistische Kapazitäten wie Lagerzentren und Flugverbindungen in Adré bereitstellt.

Herausforderungen in der humanitären Versorgung während der Regenzeit

Die humanitäre Lage in den Lagern ist angespannt. Viele Neuankömmlinge erreichen den Tschad unter äußerst prekären Lebensbedingungen und sind dringend auf Nahrung, sauberes Wasser und psychologische Unterstützung angewiesen. Hilfskonvois von NGOs bemühen sich, täglich Lebensmittel und Wasser in die Lager zu bringen, doch die schwierigen Straßenverhältnisse und die anhaltende Regenzeit blockieren häufig die Versorgungswege.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, haben der Tschad, die Europäische Union und der Europäische Humanitäre Reaktionskapazitätsmechanismus (EHRC) gemeinsam die Landebahn in Adré saniert und einen Luftbrücken- sowie Helikoptereinsatz eingerichtet, um schwer erreichbare Gebiete zu versorgen. Zur Lagerung und Verteilung von Hilfsgütern wurde dort ein Logistikzentrum gebaut.

Zudem sorgt das Camp Ecole in Adré mit einer mobilen Klinik von Ärzte ohne Grenzen für erste medizinische Hilfe. Täglich werden etwa 400 Konsultationen durchgeführt, viele davon für mangelernährte Kinder. Ein spezieller Krankenwagen ist für Notfälle und Überweisungen ins nächstgelegene Krankenhaus im Einsatz.

Tschad hält seine Grenzen offen

Das Land ist entschlossen, seine Grenzen offen zu halten, trotz der Fragilität dieser Region. 2020 hat der Tschad das Asylgesetz N° 027 /PR/2020 verabschiedet, das den Geflüchteten das Recht auf Bewegungsfreiheit, Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Rechtsschutz zusichert. Die Gesetzgebung stellt sicher, dass Geflüchtete in den sozialen Schutzsystemen des Tschad integriert sind, wie in der Nationalen Sozialschutzstrategie und dem Nationalen Entwicklungsplan, wodurch sie langfristig Unterstützung erhalten. Auch das Gesetz zur zivilrechtlichen Registrierung von 2015 ermöglicht es Geflüchteten, ihre Kinder auf tschadischem Territorium registrieren zu lassen und ihnen so die Staatsbürgerschaft zu sichern.

Herausforderungen und Perspektiven der humanitären Arbeit im Tschad

Der Tschad ist ein Vorbild in der Region für seinen Einsatz im Schutz von Geflüchteten und die Einhaltung internationaler Verpflichtungen. Allerdings reichen die vorhandenen Ressourcen bei Weitem nicht aus, um den wachsenden Bedarf zu decken. Die Rationen des Welternährungsprogramms mussten in Adré aufgrund finanzieller Engpässe auf 1100 Kalorien am Tag reduziert werden. Zudem wird die psychologische Unterstützung für die traumatisierten Geflüchteten dringend benötigt, jedoch mangelt es an den nötigen Mitteln und Fachkräften, um diesem Bedarf gerecht zu werden.

Angesichts dieser Herausforderungen ist es entscheidend, dass die internationale Gemeinschaft ihre Unterstützung verstärkt, um die humanitären Maßnahmen zu erweitern und sicherzustellen, dass die Flüchtlingslager an der Grenze zum Sudan weiterhin wirksam versorgt werden können. Mit einer verstärkten Zusammenarbeit und solidarischen Hilfe kann der Tschad seine Rolle als Zufluchtsort und Schutzraum für Geflüchtete auch in Zukunft weiter ausbauen.

Quellen

Verfasst am 15. November 2024

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