Energiegerechtigkeit ist mehr als nur Klimaschutz 

Afrikanische Länder investieren in nachhaltige Energie. Doch Klimaschutz bedeutet nicht gleich Energiegerechtigkeit.

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Energiegerechtigkeit ist mehr als nur Klimaschutz 

Eine im Jahr 2020 veröffentlichte Studie untersuchte mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Kassel und Universität Hamburg insgesamt 34 afrikanische Länder in Bezug auf die Frage:  

Welche Maßnahmen werden ergriffen, um erneuerbare Energien zu etablieren? 

Die Leiterin der Forschungsgruppe Dr. Simone Claar stellt im Rahmen der Analysen fest, dass praktisch alle begutachteten afrikanischen Länder das Ziel einer hohen Energiesouveränität haben. Energiesouveränität ist jedoch nicht einfach mit Versorgungssicherheit gleichzusetzen. Souveränität bei der Energieversorgung ist dann gegeben, „wenn hinreichende, verlässliche Energielieferungen zu wirtschaftlichen Preisen auf eine Art erfolgen, die nicht mit den eigenen Werten, Interessen und außenpolitischen Zielen konfligiert oder diese gar gefährdet.“ Wir sprechen hier also vielmehr von einem technisch robusten, nachhaltigen Energiesystem, das sowohl weitestgehend vor Krisen als auch vor politischer Einflussahme und Willkür geschützt ist und strategische Handlungsfreiheit garantiert.   

In der Studie zeigen sich Südafrika, Kenia und Ruanda besonders offen für den Ausbau erneuerbarer Energien. Ressourcenstärkere Länder wie Angola haben wiederum weniger Interesse an einer Neuausrichtung, da sich die Regierung auf Öl verlässt. Dennoch sind die Ergebnisse der Studie beeindruckend: Während die Mehrzahl der untersuchten Länder im Jahr 2006 noch 1,2 Billionen US-Dollar in den Energiewandel investierten, stiegen die Ausgaben bis 2017 auf 19 Billionen. Staatliche und private Investitionen haben enorm zugenommen und begünstigen damit eine nachhaltige Energiestrategie auf dem Kontinent.  

Ruanda mag hier als Beispiel skizziert werden, wie der Pfad zur Energiewende aussehen könnte. Das Land setzt auf die Kombination verschiedener Instrumente wie Mikrofinanzierung, Programme für sauberes Kochen, die Nutzung und Beimischung von Biokraftstoffen oder den Aufbau weiblicher Fachkompetenz in der Technologie erneuerbarer Energien. 

Der Umschwung hin zu nachhaltig grüner Energie zum Schutz unseres Planeten geht jedoch meist nicht einher mit der Energiegerechtigkeit. Die Etablierung von erneuerbaren Energien, oft vom Globalen Norden mitfinanziert und damit an Bedingungen geknüpft, genügt nicht. Es bedarf eines gerechten Strukturwandels, betont Claar. „Das bedeutet, möglichst viele Menschen müssen nicht nur Zugang zu Energie erhalten, wie es im Entwicklungsziel 7 der Vereinten Nationen formuliert ist“. Es braucht mehr. Betrachten wir als Beispiel den Bau von Windkraftanlagen. Beim Bau von großen Windparks sollten die Bewohner und Bewohnerinnen nicht bloß die Energie erhalten, sondern auch am gesamten Prozess beteiligt sein. Sie profitieren dadurch vom Wissenstransfer, auf dessen Grundlage neue Arbeitsplätze entstehen können. Der Begriff der Energiesouveränität bekommt auf diesem Wege eine viel umfassendere gesamtgesellschaftliche Bedeutung.  

Die Teilhabe an der Entwicklung von Technologien, der Zugang zu Elektrizität zu erschwinglichen Preisen, der Respekt vor kulturellen Interessen – das sind Grundsteine der Energiesouveränität und -gerechtigkeit. 

Quellen:

Müller, F. et al. /“Is green a Pan-African colour? Mapping African renewable energy policies and transition in 34 countries“ vom 10/2020 

Westphal, K. / „Strategische Souveränität in Energiefragen“ in Stiftung Wissenschaft und Politik vom 10.06.2020

Universität Kassel / „Wie fair ist die Energiewende in Afrika?“ vom 07.07.2020

Verfasst am 21.03.2022