In kurzer Zeit hat Ruanda, das von den Nachwirkungen des verheerenden Genozids 1994 gezeichnet war, einen bemerkenswerten Wandel vollzogen. Unter der Führung von Paul Kagame, der den Genozid durch eine militärische Intervention beendete, hat sich das Land zu einem der stabilsten und progressivsten Länder Afrikas entwickelt. Hier wurde das erste mehrheitlich weibliche Parlament der Welt gewählt und die Korruption erfolgreich bekämpft. Solche Errungenschaften finden weltweit Anerkennung, doch Kagames Ära ist auch von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und einer zunehmend autoritären Regierungsführung überschattet. Vision 2020 Die Entwicklung Ruandas verläuft genau nach dem Plan, den Kagames Regierung zur Jahrtausendwende mit dem prägnanten Namen „Vision 2020“ entworfen hat. Dieser ambitionierte Plan zielte darauf ab, wirtschaftlichen Aufschwung dazu zu nutzen, in die Lebensbedingungen der Menschen zu investieren, Armut und Gesundheitsprobleme zu bekämpfen, die nach dem Genozid zerrissene Bevölkerung Ruandas zu vereinen, Korruption zu beseitigen und einen soliden Rechtsstaat zu etablieren. Wirtschaftswunder und soziale Fortschritte Diese Strategie hat sich ausgezahlt und eine bemerkenswerte Stabilität herbeigeführt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes ist zwischen 2000 und 2020 um 142 Prozent angewachsen, und eine Million Menschen wurden aus der Armut befreit. Die Kriminalitätsrate ist drastisch gesunken und liegt nun zum Beispiel bei nur der Hälfte der Homizidrate der USA und Infrastruktur und Gesundheits- und Bildungssystem haben auch profitiert. Diese Investitionen, unterstützt durch ausländische Hilfsgelder, haben einen positiven Feedback-Loop ausgelöst, der weitere Investitionen nach sich zieht. Die sauberen Straßen Ruandas vermitteln das Bild eines Landes, in dem Entwicklungsfinanzierung sinnvoll und effektiv eingesetzt wird. Klimaschutz Mit der Vision 2020 vollzog das Land auch einen Wandel von einer Subsistenzwirtschaft hin zu ökologischer Landwirtschaft und einem wachsenden Technologiesektor. Ruanda hat sich zudem als Vorreiter bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und der Agenda 2030 positioniert, mit welcher die Weltgemeinschaft sich 17 Ziele für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung gesetzt hat. Als Ausdruck seines Engagements für den Umweltschutz hat Ruanda zum Beispiel die Verwendung von Plastik vollständig verboten und erzeugt die Hälfte seines Stroms aus Wasserkraftwerken. Autoritäre Regierungsstrukturen Trotz dieser beeindruckenden Entwicklungen und Vorreiterrolle bleibt Ruanda eines der ärmsten Länder der Welt. 44 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, und die Kluft zwischen Arm und Reich ist groß. Während in der Hauptstadt Kigali eine Verbesserung der Lebensbedingungen für einige spürbar wird, ist in den ländlichen Gebieten die Armut immer noch tief verwurzelt. Auch haben sich autoritäre Regierungsstrukturen unter Paul Kagame verfestigt und in der Realität unterdrückt die Regierung, die sich offiziell zu Rechtsstaatlichkeit bekannt hat, ihre Gegner*innen. Es gibt keine nennenswerte Opposition und Systemkritiker*innen verschwinden regelmäßig, es wird von Hinrichtungen berichtet. Die überwältigende Mehrheit, mit der Kagame in angeblich demokratischen Wahlen gewählt wird – 99 Prozent der Stimmen –, wirft Fragen über die Integrität und Fairness des Wahlprozesses auf. Ruanda präsentiert sich gerne als gastfreundliches Land für Menschen auf der Flucht, die bei Ankunft sofort eine Arbeitserlaubnis erhalten und sich frei bewegen dürfen. Trotzdem lebt die Mehrheit dieser Menschen in Camps, wo ihre Möglichkeiten, ein Einkommen zu erzielen, stark eingeschränkt sind. Zudem wird berichtet, dass die ruandische Regierung vielen Menschen, die das Land verlassen möchten, die Ausstellung von Reisepässen verwehrt. Dennoch wird Kagame oft international vor Kritik geschützt, da sein Image als visionärer und vorausschauender Staatschef überwiegt. In Ruanda selbst beschreiben Sympathisant*innen Kagames Führungsstil ähnlich, während Kritiker*innen die Verfolgung von Oppositionellen und den autoritären Führungsstil anprangern. So erscheint Ruanda als eines der sichersten Länder Afrikas für Menschen, die das System nicht in Frage stellen. Quellen Deutsche Welle: Wie sicher ist Ruanda für Migranten? (Juni 2022) Süddeutsche Zeitung: Ruanda – Lichtblick mit Schatten (August 2018) Deutsche Welle: Die Liebesbeziehung des Westens mit Ruanda (März 2023)https://www.dw.com/de/die-liebesbeziehung-des-westens-mit-ruanda/a-65000766 BMZ: Ruanda – Vorreiter bei der Umsetzung der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens (Letzter Zugriff Februar 2024) Deutsche Welle: Warum Ruanda Flüchtlinge willkommen heißt (Dezember 2023) Youtube – CaspianReport: Rwanda to become the next Singapore? (2023) Verfasst am 05. Februar 2024