Kenias Umgang mit Omikron

Auch Kenia gehörte zu den Ländern, an die die westlichen Staaten erbärmlich wenig Vakzine abgegeben hatten. Nun scheint genug eingetroffen zu sein, aber die Freude trübt leider.

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Maske in Herzform

Kenias Umgang mit Omikron

Die Omikron-Variante des Coronavirus kennzeichnet sich durch ihre hohe Übertragungsgeschwindigkeit, schrieb das RKI letzte Woche (1). “Die Variante breitet sich nach derzeitigem Kenntnisstand deutlich schneller und effektiver aus als die bisherigen Virusvarianten.” Über die Gefährlichkeit der Mutation im Vergleich zu anderen ließ sich im Dezember noch nicht viel sagen (2). Heute sind ein milderer Verlauf bei sehr hohem Ansteckungsrisiko bestätigt (3). Das Risiko der Entwicklung von Langzeitfolgen („Long COVID“) besteht natürlich trotzdem. 

Trotz des Risikos widersetzt sich Kenias Bevölkerung weitestgehend der verordneten Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und kommt offensichtlich glimpflich davon. 

Ähnlich und doch anders ging und geht Südafrika mit der Lage um. Strenge Kontaktverfolgung, Isolation und Ausgangssperren werden nicht bloß staatlich verordnet, sondern durch medizinisch geschultes Personal vor Ort überprüft. Infektionszahlen schnellten jedoch auch hier zu Beginn der Omikron-Welle in besorgniserregende Höhe, flauten dann aber wieder ab und hinterließen weit weniger Tote als frühere Wellen. Klassische epidemiologische Maßnahmen waren also erfolgreich (5).  

Auch in Kenia verbreitete sich die Omikron-Variante rasch.  Es wurden ebenfalls zahlreiche Maßnahmen verordnet, die den Zugang zu Bereichen des öffentlichen Lebens, wie Bars und Restaurants, nur noch für Geimpfte beschränken, d.h. aktuell für ausschließlich 16,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung im Land (6). Menschenrechtsorganisationen haben das scharf kritisiert, gibt es natürlich Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen wirklich nicht impfen lassen können. Die Einhaltung und Kontrolle der Maßnahmen funktionieren nur mäßig. Gerade zur Jahreswende tummelten sich viele Menschen an den Stränden und nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel in gewohnter Auslastung (6).  

In Anbetracht der Situation vieler Kenianerinnen und Kenianer scheint dies nachvollziehbarer, wenn man einen Blick in ihre aktuellen Lebensverhältnisse wirft. Ein positiver Test zwingt die Menschen in Quarantäne. Das bedeutet, sie können ihrer Arbeit nicht nachgehen und die Einnahmen fallen weg. Zusätzlich kosten Schnelltests in Kenia nicht wenig Geld und sind damit oft nicht erschwinglich. Um sich den Einschränkungen und Kosten zu entgehen und den Verpflichtungen des Alltags nachkommen zu können, wird nicht getestet und eine Art Normalität tritt ein (6). 

Trotzdem scheint Kenia erstmal über den Berg zu sein. Nach dramatischen Infektionszahlen um die Weihnachtszeit, fallen nun die Werte rasant und die Omikron-Welle wirkt besiegt. Auch Wissenschaftler und Krankenhausmitarbeiterinnen in der kenianischen Hauptstadt Nairobi berichten von genug Kapazitäten auf Covidstationen und verfügbare Intensivbetten (3). 

Laut Forscherinnen und Forschern könnten drei Gründe für diese Entwicklung ausschlaggebend sein:  

1. Die sogenannte Durchseuchung der Bevölkerung, auch schon vor der Omikron-Welle, führte zu einer Grundimmunität, einem natürlichen Schutzschild gegen aufkommende Varianten, zumindest teilweise. Doch auch dies ist mit massiver Vorsicht und zurückhaltendem Optimismus zu behandeln.  

2. Der zweite Grund könnte die deutlich jüngere Bevölkerung Afrikas im Vergleich zu Europa sein. Über 50 Prozent der afrikanischen Bevölkerung ist unter 20 Jahre alt, berichtet das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung und beruft sich auf die UN World Population Prospects 2019 (4). Schwere Krankheitsverläufe treten somit nachweislich seltener auf als bei Menschen höheren Alters mit geschwächten Immunsystemen.  

3. Der dritte Grund, ist die Tatsache, dass die kenianische Gesamtbevölkerung „häufig ähnlich gearteten Viren ausgesetzt“ (3) ist, die z.B. Dengue-Fieber, Chikungunya-Fieber oder Malaria mit teilweise covidähnlichen Symptomen als Folge haben (3). Daher könnte sich auch auf diese Weise eine gewisse Grundimmunität eingestellt haben.  

Trotz der geringen Corona-Toten in Südafrika im Vergleich zu vorherigen Infektionswellen, sind die Sterbefälle in absoluten Zahlen und auf die Bevölkerungszahl bezogen etwa so hoch wie in Deutschland. Das liegt in erster Linie an der begrenzten medizinischen Versorgungskapazität sowie am Impfstand (5). 

Mittlerweile sei in Kenia nun genug Impfstoff eingetroffen, um Booster-Impfungen anbieten zu können. Problematisch ist jedoch, dass die Lieferung des Impfstoffs sehr kurzfristig erfolgte und diese nah am Verfallsadtum sind. So ist es extrem schwer, effektive Impfkampagnen auf die Beine zu stellen.

Auffallend ist, dass viele Länder weltweit bereits kurz nach dem Entdecken der Omikron-Variante Reisebeschränkungen für zahlreiche afrikanische Länder aussprachen, die teilweise noch gar keine Omikron-Infektionen verzeichneten. Die Omikron-Variante wurde zwar Anfang November 2021 erstmals in Südafrika nachgewiesen, aber nach wie vor unklar ist, ob sie dort entstanden ist. Diesbezüglich ist Vorsicht geboten, da das stigmatisierend wirken und Afrophobie schüren kann.  

Reisebeschränkungen können zwar helfen, die Ausbreitung einer neuen Mutante zu verlangsamen, aber verhindern können sie diese kaum. Stattdessen ist der wirtschaftliche Schaden von Reisebeschränkungen zum Beispiel in der südafrikanischen Tourismusbranche immens, insbesondere da es oft viele Monate dauert, bis sie aufgehoben werden.  

Quellen:

(1) Robert Koch Institut/ “Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten“ vom 24.11.2021

(2) Dörries, B./ “Afrikanische Staaten fordern Ende der Reisebeschränkungen” in Süddeutsche Zeitung vom 06.12.2022

(3) Auswärtiges Amt/ „Kenia: Reise- und Sicherheitswarnungen“ vom 01.02.2022

(4) Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung/ „Vergleich der Kontinente – Anteil junger Menschen unter 20 Jahren an der Bevölkerung (1950-2020)“

(5) Wildermuth, V./ „Nationale Corona-Strategien auf dem Prüfstand / Südafrika meistert die Lage passabel“ im Deutschlandfunk vom 01.02.2022

(6) Hoffmann, H. / “Omikron in Kenia: Alle hatten plötzlich die Grippe” im Spiegel vom 12.01.2022

Verfasst am 01.02.2022