Matriarchale Gesellschaften — ein Gegenentwurf zu patriarchalen Strukturen

Die Gesellschaftsstruktur des Matriarchats als außergewöhnliche Lebensführung auf der westafrikanischen Insel Orango

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Matriarchale Gesellschaften — ein Gegenentwurf zu patriarchalen Strukturen

 

Es gibt sie nicht häufig, aber es gibt sie — matriarchale Gesellschaften. Diese Gesellschaftsformen sind heute noch in manchen Gebieten in Ländern wie China oder Indien zu finden, aber auch auf dem afrikanischen Kontinent gibt es vereinzelt matriarchale Gesellschaftsstrukturen. So auch auf der zu Guinea Bissau gehörenden Insel Orango. Auf der Insel herrschen seit 1910 matriarchale Strukturen und bilden somit einen Gegenentwurf zu den weltweit eher verbreiteten Strukturen des Patriarchats. 

Patriarchat vs. Matriarchat

Beim Patriarchat handelt es sich um ein Gesellschaftssystem von sozialen Beziehungen, welches vornehmlich von Männern geprägt und kontrolliert wird. Das bedeutet, dass in patriarchal geprägten Gesellschaften vor allem Männer auf staatlicher, politischer und rechtlicher Ebene die Macht inne haben und Entscheidungen in sämtlichen gesamtgesellschaftlichen Belangen treffen. In einem Patriarchat wird außerdem sichergestellt, dass die Macht an die nächste männliche Generation weitergegeben wird und somit in männlicher Hand bleibt. Mit diesen Strukturen geht ein Machtgefälle zwischen den Geschlechtern einher. Patriarchale Strukturen sind dabei bei Weitem die häufigsten gesellschaftlichen Strukturen weltweit. 

In einem Matriarchat wiederum hat die Frau die mehrheitliche Macht in Staat, Familie und Gesellschaftsordnung. Sie nimmt eine bevorzugte Stellung ein und gibt diese Macht mit der weiblichen Linie weiter. Dieses gesellschaftliche System wird meistens dadurch begründet, dass die Herrschaft auf eine Ahnfrau oder eine größere Göttin zurückzuführen sei.  

Okinka Pampa

Auch die matriarchalen Strukturen auf der westafrikanischen Insel Orango entstammen einer mächtigen Herrscherin. Die von 1910 bis 1930 herrschende Königin Okinka Pampa führte die matriarchalen Strukturen auf Orango ein. Sie hielt auf der Insel Widerstand gegen die portugiesischen Kolonialherren, setzte sich für die Rechte der Frauen ein und erließ Sozialreformen für ihr Volk. Außerdem schaffte die fortschrittliche Herrscherin die Sklaverei in ihren Hoheitsgebieten ab und schloss schließlich einen Friedensvertrag mit den portugiesischen Kolonialherren. Somit erlangte sie viele positive Errungenschaften für ihr Volk und wird bis heute von den Menschen vor Ort verehrt.

Das heutige Zusammenleben der Menschen auf Orango 

Seither haben vornehmlich die Frauen auf der Insel das Sagen und bilden das Familienoberhaupt. Sie bauen die Häuser, in denen sie mit ihren Familien leben, besitzen diese hinterher alleinig und verfügen über allen Besitz. Die Frauen treffen ebenfalls die Entscheidungen, wenn es um das Zusammenleben mit den Männern geht. Sie bestimmen somit auch die Trennung von ihnen. Die Frauen haben jedoch nicht nur die meiste Macht, sondern leisten auch die meiste Arbeit, indem sie sich um den Haushalt kümmern und das gesamte Familien- und Dorfleben managen. Die Männer auf der Insel kümmern sich währenddessen um das Fischen und haben ansonsten kaum größere Verpflichtungen, müssen sich aber dem Willen der Frauen unterordnen. Dabei sind die Frauen stolz auf ihre Rolle in der Gemeinschaft und nehmen sich als unabhängig wahr. Die meiste Macht auf der Insel haben jedoch die Königinnen und Priesterinnen von Eticoga. Sie geben den politischen und auch den spirituellen Ton an. 

Inzwischen gibt es auch einen männlichen Dorfvorsteher, dessen Meinung bedeutsam für die Königinnen und Priesterinnen ist. Somit soll sichergestellt werden, dass niemand ausgeschlossen wird. Zu Beratschlagungen treffen sich zunächst die Männer und Frauen getrennt, setzen sich dann aber zusammen, um über Dorfangelegenheiten zu entscheiden. Das letzte Wort haben dennoch am Ende die Königinnen und Priesterinnen. Somit werden auf politisch gesellschaftlicher Ebene mehr und mehr demokratische Werte gelebt. Aufgrund der Mitsprache aller wird von der Insel Orango seit einigen Jahren auch nicht mehr von einem reinen Matriarchat gesprochen.

Was denkt der Rest des Landes

Auch wenn die Regierung in der Hauptstadt Bissau kaum auf die besondere Lebensform der Menschen in Orango reagiert und alle offiziellen Dekrete an den männlichen Dorfvorsteher gehen, gelten die Bewohner*innen und die Gemeinschaftsstrukturen auf Orango für viele Einwohner*innen der Hauptstadt Bissau als vorbildlich. Diese sehen die besondere Lebensführung der Menschen auf der Insel als etwas Positives, an dem sich die sehr patriarchal orientierte Gesellschaftsordnung im Rest des Landes etwas abschauen könne. Aufgrund großer politischer Probleme des Landes wird ein vermehrtes Mitspracherecht für Frauen als fortschrittlich und demokratiefördernd angesehen.

Quellen:

  1. Youtube – Weltspiegel: Orango: Hier haben Frauen das Sagen | Weltspiegel (2023)
  2. Gleichstellung im Blick: Die Entwicklung des Patriarchats und wo Sie es heute noch finden können (Oktober 2021)  
  3. Hyperkulturell – Portal für Interkulturelle Kommunikation: Patriarchat und Matriarchat (2020)
  4. Wikipedia: Matriarchat (letzter Zugriff August 2023)
  5. Spektrum: Matriarchat (letzter Zugriff August 2023)
  6. Wikipedia: Okinka Pampa (letzter Zugriff August 2023)
  7. Spiegel: Was ist anders, wenn Frauen die Entscheidungen treffen? (April 2022)  

Verfasst am 30. August 2023