Sparpolitik trifft Entwicklungszusammenarbeit

Die Sparpolitik im Bundeshaushalt bedroht Entwicklungszusammenarbeit und stellt die Einhaltung internationaler Verpflichtungen in Frage.

Im Zuge der angespannten Haushaltsplanung der Bundesregierung für das Jahr 2025 hat sich die Debatte um die Effizienz und Relevanz der Entwicklungszusammenarbeit zugespitzt. Die Budgetverhandlungen gipfelten schließlich in einem Beschluss der Bundesregierung vom 5. Juli 2024, öffentliche Entwicklungsleistungen (Official Development Assistance, ODA) stärker zu kürzen als je zuvor. Für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind nun 11,2 Milliarden Euro vorgesehen – eine Reduzierung um eine Milliarde Euro im Vergleich zu den 12,2 Milliarden Euro des Jahres 2023. Das sorgt für viel Kritik nicht nur bei Entwicklungsorganisationen, sondern auch bei vielen Abgeordneten selbst.

Denn im Koalitionsvertrag hat die Ampel-Regierung zugesagt, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungspolitik zu verwenden. Diese sogenannte ODA-Quote (ODA = Official Development Assistance) könnte jedoch durch die jüngsten Sparmaßnahmen gefährdet sein. Zudem sieht der Koalitionsvertrag vor, dass für jeden Euro, der für Verteidigung ausgegeben wird, ein gleichwertiger Betrag  in Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe oder Diplomatie fließen sollte – eine Zielsetzung, die mit dem aktuellen Haushaltsentwurf  kaum zu erreichen ist.

Wohin fließen Entwicklungsleistungen?

Kritiker*innen der Entwicklungszusammenarbeit argumentieren, dass die Mittel des Entwicklungsbudgets innerhalb Deutschlands effektiver eingesetzt werden könnten – z.B. zur Unterstützung von Hochwasseropfern und landwirtschaftliche Subventionen – anstatt hauptsächlich das Ausland von deutschen Zuwendungen profitieren zu lassen.

Doch die Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit und der Vorschlag der alternativen Investition innerhalb Deutschlands ignoriert die moralische Verantwortung eines Industriestaates wie Deutschland, ODA-Gelder an Länder des Globalen Süden zu vergeben. So liegen die Ursachen für globale Probleme oft im Globalen Norden, sei es dadurch, dass gerade in den Industriestaaten Emissionen generiert werden, die weltweite Klimakatastrophen verursachen, oder dadurch, dass die kolonialen Strukturen der vergangenen Jahrhunderte eine Machtasymmetrie zwischen Globalen Norden und Globalen Süden überhaupt erst geschaffen haben. Zudem verkennt die Skepsis gegenüber der Entwicklungspolitik die Verflechtung globaler Krisen und die Tatsache, dass Geschehnisse an anderen Orten der Welt direkte Auswirkungen auf Deutschland haben können. Und nicht zuletzt ignoriert die Kritik die reale Verteilung des Budgets, das zu keinem geringen Teil in Deutschland selbst ausgegeben wird.

Zum Beispiel nutzen deutsche Unternehmen die zur Verfügung gestellten Entwicklungsgelder, um Projekte im Ausland durchzuführen oder Organisationen nutzen sie, um die Erstbetreuung von Geflüchteten in Deutschland zu gewährleisten. Im Jahr 2023 setzte man etwa 20 Prozent der ODA-Gelder, das entspricht rund 6,8 Milliarden Euro, für die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten im ersten Jahr ihrer Ankunft ein, was international als Entwicklungshilfe anerkannt wird.

Weiterhin erhielten deutsche Hochschulen aus diesem Budget Mittel in Höhe von 1,8 Milliarden Euro (etwa fünf Prozent der gesamten ODA) zur Bereitstellung von Studienplätzen für Studierende aus Ländern des Globalen Südens.

Humanitäre Folgen und politische Implikation 

Deutschland ist einer der führenden Geber in der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit weltweit. Im internationalen Vergleich sind deutsche Entwicklungsinvestitionen relativ zur Wirtschaftsleistung des Landes an vierter Stelle und in absoluten Summen an zweiter. Die Kürzungen im deutschen Bundeshaushalt haben deshalb einen großen Einfluss auf die Versorgung in Krisengebieten und könnten zu vermehrten triage-ähnlichen Entscheidungen führen, bei denen Entwicklungsorganisationen abwägen müssen, welchen Krisenregionen geholfen werden soll und welchen nicht.

Diese Kürzungen haben auch weitreichende außen- und sicherheitspolitische Implikationen, etwa in der Erwartungshaltung gegenüber Ländern des Globalen Südens im Kontext geopolitischer Konflikte wie dem Ukraine-Krieg. Der Vorwurf steht im Raum, dass Deutschland in Zeiten größter Not, während es selbst zu Solidarität aufruft, gegensätzlich handelt und an Glaubwürdigkeit verliert.

Entwicklungszusammenarbeit als Strategie 

Manche Vertreter*innen aus der Wirtschaft argumentieren, dass Entwicklungszusammenarbeit nicht nur moralisch, sondern auch für deutsche Interessen strategisch sinnvoll ist. So zum Beispiel im Bereich der Energiegewinnung durch Wasserstoff. Vor allem mit Absolvent*innen aus Ländern des Globalen Südens, die potenziell zu Entscheidungsträger*innen und Multiplikator*innen in ihren Ländern werden, können zukünftige Infrastrukturen für den Import von Wasserstoff aus Afrika  aufgebaut werden. Zudem wird hervorgehoben, dass die Beteiligung deutscher Firmen am Bau der Infrastrukturen in afrikanischen Ländern den Wasserstofftransport nach Deutschland erleichtern würde. Dies sei besonders wichtig, um im internationalen Wettbewerb, vor allem gegenüber Akteuren wie China und Russland, bestehen zu können.

Kritiker*innen aus linken Kreisen wenden wiederum ein, dass solche Ansätze nur zur Erschließung neuer Absatzmärkte für Deutschland dienen und die Entwicklungspolitik zu kapitalistisch und profitorientiert gestalten. Zudem bleibe die Frage offen, mit welchen Maßnahmen garantiert wird, dass die lokale Bevölkerung von ihrem Wasserstoff-Boom profitiert. Sie fordern stattdessen echte Steuerreformen, um Einnahmen zu erhöhen und Entwicklungszusammenarbeit, die in erster Linie Menschen in Ländern des Globalen Südens unterstützen soll, besser finanzieren zu können.

Entwicklungszusammenarbeit bleibt ein wichtiger Pfeiler in der deutschen Politik, der nicht nur für Deutschland selbst von Nutzen ist, sondern auch zur Förderung globaler Gerechtigkeit beiträgt. Daher ist es unerlässlich, diese weiter zu fördern und ihre Durchführung kontinuierlich zu hinterfragen und zu verbessern.

Quellen

Verfasst am 15. August 2024