Der Klimawandel betrifft uns alle - aber nicht alle gleich stark. Die Folgen des Klimawandels, unter anderem die zunehmenden Naturkatastrophen wie Dürren, Hurrikans und Überschwemmungen, betreffen Frauen stärker als Männer. Beim Sumatra-Andamanen-Beben 2004 in Südostasien starben beispielsweise viermal so viele Frauen wie Männer und während der Dürre 2016 in Kenia erhielten Frauen häufig als Letzte Lebensmittel. Laut International Rescue Committee (2021) haben Frauen und Kinder ein 14-mal höheres Risiko, während einer Katastrophe zu sterben als Männer. Aber welche Faktoren führen zu dieser Benachteiligung, warum sind besonders Frauen im Globalen Süden davon betroffen und wie kann feministische Klimapolitik zur Lösung dieser Herausforderung beitragen?Intersektionalität: Frauen und Globaler SüdenBesonders betroffen vom Klimawandel sind Frauen im Globalen Süden (“Entwicklungsländern”). Länder des Globalen Südens liegen häufig in vom Klimawandel stark bedrohten Regionen und verfügen oft nicht über ausreichende Möglichkeiten, um Maßnahmen zum Schutz oder zur Anpassung an die extremen Klimabedingungen zu finanzieren. Zudem sind viele Menschen in diesen Ländern in der Landwirtschaft oder Fischerei tätig und von dieser abhängig. Während alle Menschen im Globalen Süden stärker unter den Folgen des Klimawandels leiden, trifft es Frauen dort besonders hart. Sie sind zum Beispiel zusätzlich stärker von sexueller Gewalt betroffen, die in Krisensituationen häufig zunimmt, und erleben oft Benachteiligungen im Bildungsbereich.In der Diskussion rund um Klimagerechtigkeit wird bei dieser Überschneidung von Benachteiligungen von Intersektionalität gesprochen. Intersektionalität wird definiert als “Wechselbeziehung verschiedener sozialer Kategorien wie Geschlecht, Klasse, "Race"*, sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Fähigkeit, Religion und andere Identitätsachsen auf mehreren und gleichzeitig wirksamen Ebenen. Diese Kategorien sind eingebettet in eine soziale Hierarchie, die durch die drei globalen Herrschaftssysteme Rassismus/Kolonialismus, Kapitalismus und Patriarchat [...] definiert wird.” (Intersectional Justice).Frauen in Ländern des Globalen Südens erleben zum einen häufig Benachteiligung, da sie in Ländern leben, die während der Kolonialzeit von europäischen Staaten systematisch ausgebeutet wurden und häufig noch immer weniger finanzielle Möglichkeiten haben, ihre Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Zum anderen erleben sie häufig durch sexistische Machtstrukturen auch im eigenen Land zusätzliche Benachteiligung. Intersektionalität ist ein wichtiger Ansatz in Politik und Sozialwissenschaft, um Probleme nachhaltig und gerecht zu lösen.Ein Beispiel von Intersektionalität im Bereich KlimawandelHäufig haben afrikanische Länder weniger finanzielle Mittel um sich auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Der Klimawandel führt jedoch unter anderem zunehmend zu Überschwemmungen, die vor allem im Globalen Süden aufgrund von fehlenden Schutzvorrichtungen Häuser und Felder zerstören. Mädchen werden dann häufiger als Jungen aus der Schule genommen, um beim Wiederaufbau und in der Familie mitzuhelfen. Wenn diese Mädchen später wegen fehlender Bildung weniger Chancen auf einen guten Beruf und ein sicheres Einkommen haben und damit weniger Ressourcen, um sich zu schützen, zeigt das, wie sich bei Intersektionalität Nachteile gegenseitig beeinflussen und verschärfen können. Es kann auch dazu kommen, dass sich in Zeiten von finanzieller Not mehr Familien dafür entscheiden, ihre Töchter zu verheiraten, auch wenn diese noch minderjährig sind.Gründe, weshalb Frauen im Globalen Süden stärker betroffen sindFrauen besitzen oft weniger Land und finanzielle MittelRessourcen sind wichtig um Rückschläge zu verkraften, bei Katastrophen umsiedeln zu können oder z.B. den Wiederaufbau von Häusern oder dem eigenen Betrieb zu finanzierenFrauen verfügen oft über weniger BildungBildung (wie Lesefähigkeiten) ist nötig, um sich mit drohenden Katastrophen und Gefahren des Klimawandels auseinanderzusetzen und sich vorzubereitenBildung ermöglicht es bei Umsiedlungen und Flucht leichter einen neuen Beruf zu findenSportliche Bildung wie Schwimmen, erhöht die Chancen Flutkatastrophen zu überlebenRolle in Haushalt und FamilieHäufig müssen sich Mädchen und Frauen während der Flucht um Angehörige kümmernWeltweit verbringen Frauen und Mädchen insgesamt bis zu 200 Millionen Stunden pro Tag damit Wasser zu holen → stärkere Dürren bedeuten häufig längere Wege, die beschwerlich sind und aufgrund derer Mädchen häufiger keine Zeit für die Schule habenGeschlechtsspezifische GewaltWährend Krisenzeiten nimmt geschlechtsspezifische Gewalt zu, zum Beispiel innerhalb von Familien aber auch in Form von gewaltvollen und sexualisierten Übergriffen auf der FluchtWenn finanzielle Schwierigkeiten drohen, nimmt die Anzahl an Kinderheiraten zuFehlende finanzielle Möglichkeiten und Bildung erschweren es Frauen aus diesen Situationen zu fliehen und sich ein neues Leben aufzubauenFehlende politische Mitbestimmung und EntscheidungskraftFrauen sind seltener in der Politik vertreten → ihre Meinungen und Wissen zu frauenspezifischen Gefahren des Klimawandels bleiben oft ungehört und ignoriertFrauen sind engagierter im Kampf gegen den KlimawandelTrotz oder vielleicht gerade wegen all dieser Herausforderungen und Gefahren, sind Frauen weltweit engagierter im Kampf gegen den Klimawandel. Eine Bloomberg-Studie zeigt, dass Unternehmen mit mehr Frauen in Führungspositionen stärker darauf achten, energieeffizienter zu arbeiten und die Umweltbelastung zu reduzieren. Außerdem ratifizieren Länder mit höherem Frauenanteil im Parlament eher Umweltabkommen und beschließen mehr Konzepte gegen den Klimawandel. Auch internationale Klimabewegungen und Klimademonstrationen werden überwiegend von Frauen getragen und erhalten größtenteils weibliche Unterstützung. So stellte die TU Chemnitz fest, dass beim ersten weltweiten Klimastreik 2019 rund 70 Prozent der Teilnehmenden Frauen waren. Zudem sind viele prägende Persönlichkeiten der Klimabewegungen Frauen, wie beispielsweise Vanessa Nakate (Uganda), Elizabeth Wathuti (Kenia) und Luisa Neubauer (Deutschland).Feministische KlimapolitikUm dem Klimawandel effektiv entgegenzuwirken, ist es nötig, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Es ist wichtig zu verstehen, dass die meisten Länder des Globalen Südens weniger zum Klimawandel beitragen und auch weniger Ressourcen und Möglichkeiten haben dem Klimawandel entgegenzuwirken und sich anzupassen. Außerdem ist es wichtig bei Maßnahmen innerhalb der Länder Frauen und frauenspezifische Probleme aktiv zu beachten. Dafür wurde der Ansatz der feministischen Klimapolitik entwickelt, den auch die Bundesregierung in ihrer Außenpolitik verfolgt. Feministische Klimapolitik bedeutet, dass Frauen in die politischen Entscheidungsprozesse zur Klimapolitik eingebunden werden und dass frauenspezifische Risiken des Klimawandels adressiert werden. Feministische Klimapolitik ist dabei an den 3 Rs für Frauen ausgerichtet, die gestärkt werden sollen: Rechte, Ressourcen, Repräsentanz. Konkrete Beispiele sind in diesem Kontext das Recht auf Bildung, bessere Chancen Land zu erwerben und politische Mitbestimmung in Lokal- und Landespolitik. Es wird nicht mehr davon ausgegangen, dass der Klimawandel jede Person bzw. jede Gruppe einer Gesellschaft gleichermaßen und auf dieselbe Weise betrifft. Stattdessen werden die spezifischen Herausforderungen für Frauen herausgearbeitet, von Frauen Lösungen entwickelt und entsprechende Maßnahmen getroffen.* Race wird hier bewusst nicht direkt übersetzt, da der deutsche Begriff stark biologisierend und historisch belastet ist. Während Race im Englischen eine soziale Konstruktion bezeichnet, die Machtverhältnisse und Diskriminierung sichtbar macht, ist der deutsche Begriff weiterhin mit der Vorstellung biologischer Unterschiede verknüpft – eine Vorstellung, die wissenschaftlich widerlegt und politisch hochproblematisch ist. Weitere Informationen dazu auf poco.lit.com.QuellenBauer, Friederike; GIZ Akzente: Die Klimakrise trifft Frauen härter (Januar 2024)Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Feministische Klimapolitik (Zuletzt abgerufen: 24.03.2025)Ehrenhauser, Astrid; Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V., Klimagerechtigkeit und Geschlecht: Warum Frauen besonders anfällig für Klimawandel & Naturkatastrophen sind (November 2016)Hohmann, Laura; ZDF: Frauenpower für den Klimaschutz (November 2024)International Rescue Committee: Klimawandel verstärkt Ungleichheit der Geschlechter (März 2021)Lesi, Silvia; Europäische Investitionsbank: Gender und Klimaschutz (Juli 2023)Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Klimawandel hat geschlechtsspezifische Folgen (Juni 2024)Verfasst am 31. März 2025