Weltweit werden rund 25.000 Tassen Tee pro Sekunde getrunken – ein Konsum von 3,9 Tonnen Tee jährlich. Auch in Deutschland erfreut sich das Heißgetränk großer Beliebtheit. 2023 wurden hierzulande insgesamt 68,2 Liter Tee pro Kopf getrunken. Doch trotz der Beliebtheit des Heißgetränks wird wenig über die Arbeitsbedingungen auf den Teeplantagen berichtet. Anders als bei Kaffee und Kakao bleiben sie in der öffentlichen Debatte oft unsichtbar. Woher genau kommt unser Tee? Und unter welchen Bedingungen wird er produziert?Wirtschaftsfaktor TeeZu den bedeutendsten Teelieferanten für Deutschland gehören nach Indien, Sri Lanka und China u.a. Kenia, Tansania und Simbabwe. Der Marktanteil afrikanischer Teelieferanten lag 2024 bei 11,4 Prozent. Kenia ist der größte Teeexporteur des afrikanischen Kontinents. Hier stellt der Teeanbau über einen Viertel der Exporteinnahmen, erwirtschaftet etwa vier Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) und schafft 750.000 direkte Arbeitsplätze. Direkt und indirekt sind etwa zehn Prozent der kenianischen Bevölkerung – also 6,5 Millionen Menschen – von der Teeindustrie abhängig (Stand 2024). Viele der größten Teeplantagen Kenias sind im Besitz von internationalen Großkonzernen, wie Unilever, Lipton, Finley, Starbucks, PG Tips und Sainsbury's Red Label. Die Arbeitsbedingungen auf kenianischen TeeplantagenTrotz der wirtschaftlichen Bedeutung des Teeanbaus sind die Arbeitsbedingungen – insbesondere für Frauen, die die Mehrheit der Teepflücker*innen ausmachen – prekär. Die Arbeit ist anspruchsvoll und schlecht vergütet. Das Durchschnittseinkommen von Teepflücker*innen beträgt 12.000 KES (80 Euro, Stand 2023) im Monat. Eine Studie des Anker Research Institut zur Schätzung des Existenzlohnes in der Region Kericho County - einer der wichtigsten Teeanbaugebiete Kenias - zeigt, dass der minimale Lohn zur Sicherung der Existenz für das Jahr 2023 bei 30.531 KES (203 Euro) liegt. Folglich erhalten Teepflücker*innen weniger als die Hälfte des berechneten Existenzlohnes - also des benötigten Einkommens für das physische Überleben sowie die Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben. Viele der Angestellten haben darüber hinaus schon nach einigen Jahren mit körperlichen Beschwerden zu kämpfen.Hinzu kommt, dass in den vergangenen Jahren der Teeanbau vermehrt durch Pflückmaschinen mechanisiert wurde. Die Arbeitsplätze in sechs der größten Teeunternehmen in Kericho County sind aufgrund der Mechanisierung um 80 Prozent zurückgegangen – von 50.000 auf 10.000 Angestellte. Tausende Menschen sind aufgrund dessen arbeitslos und die verbleibenden Arbeiter*innen müssen aus Angst, ersetzt zu werden, schlechtere Bedingungen und gestiegene Ansprüche durch Vorgesetzte akzeptieren.Die Situation für FrauenInsbesondere Frauen spielen eine zentrale Rolle in der Teeproduktion Kenias. Sie machen sechzig Prozent der Angestellten auf Teeplantagen in Kenia aus. Frauen sind es, die tagtäglich auf den Plantagen Teeblätter pflücken – oft unter schwierigen und belastenden Bedingungen. Obwohl ihre Arbeit für den internationalen Handel unverzichtbar ist, bleiben ihre Rechte und ihre Sicherheit auf den Plantagen vielerorts ungeschützt.Internationale Aufmerksamkeit erregte dieses Thema durch eine BBC-Dokumentation, die im Februar 2023 ausgestrahlt wurde. Sie basiert auf den Aussagen von 70 betroffenen Frauen und macht das Ausmaß der (sexuellen) Ausbeutung auf Plantagen internationaler Großkonzerne in Kenia sichtbar.Ein zentrales Problem ist das ausgeprägte Machtgefälle zwischen Vorgesetzten und Arbeiterinnen. Viele Frauen arbeiten ohne feste Verträge und sind dringend auf ihr Einkommen angewiesen – insbesondere, wenn sie allein für Kinder oder Angehörige sorgen. Diese wirtschaftliche Abhängigkeit macht sie besonders anfällig für Ausbeutung, Einschüchterung und sexuelle Gewalt. Vorgesetzte nutzen diese verletzliche Lage häufig schamlos aus.Betroffene Frauen haben kaum Möglichkeiten, sich zu wehren oder Hilfe zu bekommen. Aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder weil ihnen ohnehin nicht geglaubt wird, schweigen viele. Auch die für Übergriffe eingerichteten Beschwerdestellen blieben in der Vergangenheit wirkungslos. Die Anliegen wurden nicht verfolgt und die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen.Die Auswirkungen für die betroffenen Frauen sind schwerwiegend: Viele leiden unter starkem psychischem Druck, Ängsten oder Schamgefühlen. In manchen Fällen kommt es auch zu körperlichen Verletzungen oder Erkrankungen – etwa durch sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV. Wenn diese Erlebnisse öffentlich werden, erfahren viele zusätzlich Ausgrenzung durch ihre Partner oder Familien. Das bedeutet: Nicht nur der Übergriff selbst ist belastend, sondern auch der Verlust des sozialen Rückhalts. Oft bleiben die Betroffenen mit ihren Erlebnissen und Gefühlen allein – ohne geschützten Raum, um darüber zu sprechen oder Unterstützung zu erhalten.Ein lang bekanntes ProblemDie Anschuldigungen sind keine Neuheit. Bereits vor zehn Jahren wurden Vorwürfe sexueller Belästigung und Nötigung auf den Teeplantagen bei Unilever, dem Mutterkonzern von Lipton, bekannt. Eine daraufhin eingeführte Nulltoleranzpolitik war erfolglos, wie sich in der BBC-Reportage zeigt. Die in der Reportage aufgedeckten Fälle und die involvierten Männer wurden gemeldet und gekündigt. Untersuchungen seien eingeleitet worden und Veränderungen in der Kontrolle der Lieferkette wurden angekündigt. Andere Unternehmen, wie Starbucks, haben sich nicht zu den Anschuldigungen geäußert. Ob sich also grundsätzlich etwas an der Situation der Frauen auf den Teeplantagen verbessert, bleibt abzuwarten.Warum Transparenz in Lieferketten zähltDie Fälle auf den Teeplantagen in Kenia stehen exemplarisch für strukturelle Ungleichheiten und Ausbeutungsverhältnisse entlang globaler Lieferketten. Besonders Frauen tragen die Hauptlast unter prekären, oft gefährlichen Arbeitsbedingungen.Diese Realität zeigt, wie dringend wirksame Mechanismen zur Kontrolle von Menschenrechten und Arbeitsstandards entlang der Lieferkette sind. Bisherige Maßnahmen wie interne Verhaltenskodizes oder Beschwerdestellen haben sich vielerorts als unzureichend erwiesen. Umso wichtiger sind verbindliche Lieferkettengesetze, die Unternehmen in die Pflicht nehmen – nicht nur freiwillig, sondern rechtlich verbindlich für den Schutz von Arbeiter*innen und die Einhaltung sozialer Mindeststandards. Nur wenn wirtschaftlicher Gewinn nicht länger auf Kosten von Menschenrechten geht, kann globaler Handel tatsächlich gerecht gestaltet werden.QuellenBBC: True cost of our tea: Sexual abuse on Kenyan tea farms revealed (Februar 2023)Business and Human Rights Resource Center: Boiling point Strengthening Corporate Accountability in the Tea Industry (Mai 2023)Citizen Digital: China-Kenya Tea Trade Centre officially launched in Shanghai (Mai 2024)Deutscher Tee und Kräuter Verband: Tee Report 2024. Tee tut gut und Gutes. Equaltimes: In Kenya, Women bear the brunt as Mechanisation wipes out Tea Sector Jobs (Februar 2021)Anker Research Institute: Global Living Wage: Living Wage Update Report: Rural Kericho, Kenya (2023)Fair Planet: The human cost of automation in the labour market (Dezember 2023)Verfasst am 21. Juli 2025