Verhindern Fairtrade-Produkte Kinderarbeit?

In Deutschland werden rund 1,9 Milliarden Euro jährlich für faire Produkte ausgegeben, damit ist Deutschland eines der wichtigsten Absatzmärkte für fair gehandelte Waren. Die Vorstellung, mit ein paar Cent mehr die Lebensbedingungen der Produzierenden in Ländern des globalen Südens zu verbessern und Produkte zu konsumieren, die ohne Kinderarbeit hergestellt wurden, klingt verlockend.

Weitersagen

Verhindern Fairtrade-Produkte Kinderarbeit?

Es gibt unterschiedliche Siegel auf den deutschen Märkten die Produkte als “fair gehandelt” auszeichnen. Alternativen zum sehr bekannten “Fairtrade”-Siegel sind “GEPA fair+”, “Naturland fair” und “Rapunzel Hand in Hand”. Produkte mit Fairtrade-Siegel werden nicht nur in Biomärkten, sondern auch in Discountern angeboten. 

Ein Ziel von Fairtrade und Co. ist es sich für bessere Arbeits- und Lebensverhältnisse der Produzierenden einzusetzen. So ist es auch erklärtes Vorhaben Kinderarbeit zu bekämpfen.  

So wirkt Fairtrade gegen Kinderarbeit 

Im Fairtrade-System sind ausbeuterische Kinderarbeit und Zwangsarbeit verboten. Um dies zu erreichen, gibt es bei Fairtrade bestimmte Vorgaben. Wenn ein von Fairtrade verifizierter Produzent in einem Land liegt, in dem die Wahrscheinlichkeit für Kinderarbeit hoch ist, müssen bestimmte Maßnahmen umgesetzt werden.  

Dazu gehört es, dass sich die produzierenden Betriebe in ihren Richtlinien klar gegen Kinderarbeit positionieren und ein eigenes Kontrollsystem erarbeiten, um Kinderarbeit zu verhindern. Falls es doch zu ausbeuterischer Kinderarbeit kommt, sind alle Menschen im Fairtrade-Netzwerk verpflichtet diesen Verstoß zu melden. Nicht nur bei Fairtrade selbst sondern auch bei lokalen und internationalen Kinderrechtsorganisationen.  

So soll gesichert werden, dass das Kindeswohl so schnell wie möglich wieder geschützt werden kann. Sollten die Verstöße zu schwerwiegend sein, verliert der Produktionsstandort die Fairtrade-Verifizierung. 

Mindestpreise gegen Armut 

Außer Prävention und Bestrafung gibt es bei Fairtrade den Ansatz der fairen Bezahlung. Denn Armut ist die größte Ursache für Kinderarbeit. Fairtrade zahlt immer einen festen Mindestpreis, so haben die Menschen in Fairtrade-Produktionen ein regelmäßiges Mindesteinkommen. Ob dies ausreichend ist, wird allerdings häufig kritisch hinterfragt. Zusätzlich gibt es eine Prämie mit der Projekte, wie der Bau von Schulen oder Spielplätzen, finanziert oder Stipendien ermöglicht werden können. 

Fairtrade-Verifizierung zu teuer für viele 

Für kleinere Produzierende beispielswiese Kleinbäuerinnen und -bauern, die Kakao oder Kaffee anbauen, ist ein Fairtrade-Zertifikat zu teuer. Die Antragsgebühr liegt bei etwa 525 Euro, die für die Erstzertifizierung sogar bei 2.250 Euro. Dazu kommen jährliche Kosten, die Fairtrade mit Schulungen für die Steigerung der Produktivität erklärt. 

Keine langfristigen positiven Erfolge durch Fairtrade? 

Unterschiedliche Forschungsgruppen stellten außerdem fest, dass einige Fairtrade zertifizierte Produzierende in Äthiopien und Uganda weniger verdienen als vergleichbare Betriebe ohne Fairtrade-Zertifizierung. Eine andere Forschungsgruppe fand heraus, dass es kaum langfristige positive Effekte für Kaffeebäuerinnen und -bauern in Guatemala durch Fairtrade gab, da die hohen Zertifizierungskosten die wirtschaftlichen Vorteile wieder neutralisierten. 

Einige Ökonomen gehen davon aus, dass der “ethische Konsum” in Ländern des globalen Nordens Kinderarbeit sogar fördert, anstatt sie zu verringern. Grund dafür ist die Annahme, dass wenn mehr und mehr Produktionsstätten sich durch Fairtrade verifizieren lassen und Kinder als Arbeitskräfte dort nicht mehr zulässig sind, vermehrt Kinderarbeit in die informellen Sektoren der Landwirtschaft verschoben wird. Dort sind Bezahlung und Arbeitsbedingungen meist noch schlechter und im schlimmsten Fall müssen mehr Kinder einer Familie arbeiten gehen, um den Lebensunterhalt zu verdienen. 

Fairtrade wirkt nur schlecht gegen Kinderarbeit 

Fairtrade steht also häufig in der Kritik nicht effektiv gegen Kinderarbeit zu wirken. Das bedeutet nicht, dass fair gehandelte Produkte insgesamt nicht dafür sorgen können, dass sich die Arbeitsbedingungen für Produzierende verbessern. Es scheint allerdings nötig zu sein, sich genauer mit einzelnen Produkten, ihren Lieferketten und ihrer Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, um ganz sicher sein zu können.  

Echte Veränderungen durch Politik und Wirtschaft 

Die Wirtschaft und Politik sind die entscheidenden Kräfte die grundlegend etwas an Kinderarbeit und Zwangsarbeit verbessern könnten. Höhere Mindestpreise für Produkte wären eine Option. Auch die Verarbeitung von Produkten wie Kakao oder Kaffee in den Anbauländern würde zu einer Wertsteigerung und einem wirtschaftlichen Aufschwung führen. Auch Deutschland ist Teil des Problems: Beispielsweise kann Rohkaffee zollfrei nach Deutschland eingeführt werden, wohingegen gemahlener und gerösteter Kaffee mit 7 % bezollt wird. Diese Ungleichheiten führen zu weniger Investitionen in den Ausbau von Weiterverarbeitungsbetrieben in den Anbauländern selbst. Somit bleiben die Lebensumstände dieselben.  

Quellen:

o. A. / Fairtrade und Kinderrechte Factsheet vom 05.2020 von Fairtrade Deutschland.  

Döpke, M. / Hilft Fairtrade wirklich? Ausgabe 7/10 Geo.   

Scherer, K. / Der bittere Beigeschmack der Schokolade vom 02.01.2018 in der Süddeutschen Zeitung. 

Hansen, A. / Wenn Kaffee bitter schmeckt 18.08.2014.  

Datum: 09.06.2021